Familienunternehmen machen Wirtschaft aus
/Achim Schwickert ist seit 2009 Landrat des Westerwaldkreises. In diesem liegt Langenbach bei Kirburg, der Firmensitz der MANN-Gruppe. Der CDU-Politiker schildert im Interview mit Uwe Schmalenbach, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Region und ihrer Familienunternehmen zuweilen unterschätzt werde.
Landrat Achim Schwickert (rechts) betont die Bedeutung der Familienunternehmen wie jener von Thomas (links) und Markus Mann für den Westerwald. Fotos: Schmalenbach
Warum sind Sie heute hierher gekommen?
Wenn ein Familienunternehmen 100 Jahre alt wird und ein Landrat eine Einladung bekommt, fährt er sehr gerne dorthin. Denn Familienunternehmen sind das, was uns im Kern in der Wirtschaft im Westerwald ausmacht. Sie brauchen bestimmte Rahmenbedingungen, insbesondere eine funktionierende Familie. Und die Idee, wie ein solches Unternehmen in die nächste Generation kommt. Das ist herausfordernd, wird aber von vielen Betrieben bei uns noch gemeistert.
Was ist Ihrer Meinung nach die Stärke dieses „familiären Wirtschaftssystems“?
Es hat den Vorteil, dass es gewisse Vertrauensverhältnisse gibt. Unter den Unternehmern untereinander, so dass sie sich wechselseitig helfen, und natürlich bei der Innovationskraft.
Wie meinen Sie das?
Der eine schaut beim anderen zu, man hat vielleicht auch gemeinsame Kunden, bespricht das eine oder andere, und dann wird aus vielen kleinen Unternehmen eine Innovationskraft, wie sie sonst eher große Unternehmen aufweisen.
Nun ist der Norden von Rheinland-Pfalz nicht der am dichtesten besiedelte Raum in Deutschland. Dennoch „dreht“ sich hier vieles. Der Eindruck, den manche von außen haben, ist demnach falsch, dass die Region „abgehängt“ wäre?
Wir sind, wenn man auf die nackten Zahlen im Vergleich zu anderen blickt, durchaus eine wirtschaftsstarke Region! Viele vermuten das nicht, denn wenn man in die Historie guckt, sind wir ja eher ein „Arme-Leute-Land“ gewesen. Aber gerade das ist die Grundlage dafür, dass die Menschen hier gesehen haben, dass sie eine Menge arbeiten müssen, erfindungsreich sein müssen. Wir haben hier nicht die „großen Geschenke“, also fette Böden, in denen dicke Kartoffeln wachsen, die sind ein bisschen kleiner hier (schmunzelt). Man hat es aber geschafft, sich zwischen den Ballungszentren zu behaupten und langsam, still und heimlich zu wachsen.
Wie wichtig sind Familienunternehmen eigentlich für das Gemeinwohl?
Eine wirtschaftliche Grundlage bieten sie, auch eine verlässliche. Es gibt aber noch ein zweites Momentum: Sie wirken ganz anders in die Bevölkerung hinein als vielleicht der eine oder andere Großkonzern, wo die CEOs häufig mit der Region nichts zu tun haben: Wenn sie gute Zahlen liefern, bleiben sie, wenn sie schlechte liefern, sind sie weg. Das ist bei Familienunternehmen nicht so. Denn deren Familien wohnen ja auch hier. Sie haben ein Interesse daran, dass wir funktionierende Schulen und genug Kindertagesstätten haben; sie wirken in die Dörfer hinein, weil viele Einheimische Arbeit bei ihnen finden. Natürlich pendeln auch viele von uns aus, allerdings haben wir ebenso einen kräftigen Stamm, der in den heimischen Familienunternehmen beschäftigt ist. Das gibt noch einmal eine besondere Verbindung – und in schwierigen Zeiten nicht immer sofort eine Entlassung! Weil man weiß, dass man die Leute wieder braucht, wenn es wieder läuft. Und dann sind sie auch da. Insofern funktioniert das gesellschaftliche Gefüge mit den Unternehmen, nicht gegen sie. Das zeichnet uns, so glaube ich, ein bisschen aus.
Man sieht an etlichen Neubaugebieten im Westerwald, dass das für eine Reihe Menschen ein attraktiver Zusammenhang zu sein scheint, die gerne hier leben oder denen die Immobilie im Taunus zu teuer war, oder?
Auch unsere Unternehmen sind auf der Suche nach Fachkräften. Wir müssen die Firmen unterstützen, wenn es um Menschen geht, die Ausbildungsstandards aus anderen Regionen haben. Wir müssen für ordentliche Rahmenbedingungen sorgen, dass die Unternehmen mit diesen Menschen reden können, ob sie herkommen wollen. Da spielt nicht nur der Arbeitsplatz eine Rolle, sondern auch bezahlbarer Wohnraum oder sogar ein verfügbarer Bauplatz. Das haben wir in den letzten Jahren gemerkt: Die Bevölkerung insgesamt ist in der Region entgegen allen Prognosen gewachsen. Wir kommen langsam ein bisschen an die Grenzen der Ausweisung von Baugebieten, weshalb es wichtig ist, dass wir in den Dorfkernen ältere Häuser ertüchtigen. Da braucht man die nötige Flexibilität bei den Baugenehmigungen und natürlich heimische Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die zur Finanzierung bereitstehen, zudem das eine oder andere Förderprogramm. Und man muss die Leute an die Hand und in die Dorfgemeinschaft aufnehmen!
Hat die Politik dabei Gestaltungsmöglichkeiten, in dem zum Beispiel Genehmigungen leichter und schneller zu haben sind?
Das ist ja gerade unsere Aufgabe. Wir wollen den Entwicklungen nicht entgegenstehen, sondern mit ihnen gehen, sie begleiten. Das Wort Rahmenbedingungen hat sich ein bisschen abgenutzt – also, man braucht eine vernünftige Grundlage! Dazu gehört auch ein gewisses Vertrauen, beidseitig. Und das ist natürlich in einem Familienunternehmen eher herzustellen, weil man einfach zu seinem Wort steht und sich immer zwei-, dreimal trifft.