Kein einziges Thema war nicht spannend

Axel Weiß ist Redakteur beim Südwestrundfunk. Er arbeitet in der Fachredaktion Umwelt und Ernährung des SWR und ist als Moderator der Natur- und Umweltsendung „natürlich!“ tätig. Mit dem studierten Biologen und Medienwissenschaftler sprach Uwe Schmalenbach über die Präsenz von Klimaschutzthemen im TV.

Vor den Dreharbeiten wird Axel Weiß (links) von Tonmann Solaiman Kabir mit einem Mikrofon und Sender „verkabelt”. Fotos: Schmalenbach



Was ist der Grund, dass der SWR heute hier in den Westerwald gekommen ist, um über die Bahn-Reaktivierungspläne der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) einen Beitrag zu drehen?

Unser wöchentliches Natur- und Umweltmagazin „natürlich!“. Wir sind zwischen Eifel und Bodensee unterwegs und gucken nach Themen, die in irgend einer Form für unsere Zuschauenden interessant sind aus den Bereichen Natur, Landwirtschaft, Umwelt. Da ist die Reaktivierung von Bahnstrecken, Klimaschutz durch Verlagerung von Transporten zurück auf die Schiene ein großes Thema, finde ich!



Warum?

Es gibt nach meiner Beobachtung sehr viele Defizite, vor allem in Rheinland-Pfalz. Ich finde es ganz spannend, dass hier der Versuch unternommen wird, die Bahn wieder stärker in den Gütertransport einzubinden – das ist uns allemal einen Bericht wert.



Befasst ihr euch im Vorfeld eines Drehs intensiv mit dem Thema oder geht ihr einfach hin nach dem Motto „Wir gucken mal, was wir da vor Ort vorfinden?“

Ich muss mich natürlich schon im Vorfeld damit beschäftigen. Denn es ist immer die Frage, mit welchem Fokus man an ein solches Thema herangeht. Was für Details gibt es? Man hat natürlich ebenso mit unterschiedlichen Interessen zu tun, und die sind nicht immer deckungsgleich. Hier ist es ganz wichtig, einigermaßen den Überblick zu haben, was der Hintergrund einer solchen Aktion ist.



Du bist ein „Gesicht der Sendung“ und präsentierst die unterschiedlichsten Inhalte. Gibt es Themen, die dich persönlich stärker interessieren und andere vielleicht weniger?

Das bleibt überhaupt nicht aus, dass man seine eigene Sichtweise einbringt; das ist auch kein Fehler. Ich finde halt Transparenz ganz wichtig, dass man deutlich macht, wo man steht und wie man solche Dinge sieht. Wobei: Ich mache das jetzt seit neuneinhalb Jahren, und es gab noch kein einziges Thema, das ich nicht spannend gefunden hätte! Manche Dinge erschließen sich ja auch erst dadurch, dass man sie aufgreift. Man arbeitet sich hinein, spricht mit den Leuten, die sich engagieren, und denkt: „Wow, das ist ein spannendes Kapitel, weil viel mehr dranhängt, als man zunächst geglaubt hatte.“



Also kann es passieren, dass du im Rahmen einer Reportage eine ganz andere Meinung zu etwas bekommst?

Ja klar! Ich bin ja schon vom Job her gehalten, offen zu sein für sämtliche Informationen egal von welcher Seite. Meine Aufgabe ist es, sie einzuordnen und daraus meine Schlüsse zu ziehen und sie entsprechend wiederzugeben. Es gab schon Fälle, da habe ich „bei A“ angefangen und bin am Ende bei K und L und M gelandet, was ich selber nicht gedacht hätte.



Und heute ist das Thema doch sicher ebenfalls sehr spannend für dich, oder?

Ich finde es ausgesprochen spannend – weil ich es ehrlich gestanden für eine Katastrophe halte, wie wir zugelassen haben, dass ein funktionierendes, klimafreundliches Verkehrsmittel wie die Bahn seit 1992 durch die absehbar gescheiterten Privatisierungsbemühungen systematisch kaputt gemacht worden ist. Die Bahn könnte heute einen ganz anderen Stellenwert haben; wir wären dankbar für die einhergehenden Klimaschutzeffekte. Nur: Es sind viele Strecken komplett verschwunden, andere sind „nur“ stillgelegt worden. Ansonsten ist die Gesamt-Bahn in einem völlig maroden Zustand; und der Bundestag hat zugesehen, die Verkehrsminister haben das mitgestaltet. Da kann ich einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen als Umwelt-Journalist und sagen: „Wie konnte man das wider besseren Wissens so zulassen?“ Umso wichtiger finde ich, dass man an den Stellen, wo man noch etwas ändern kann – so wie hier –, Bahnstrecken tatsächlich wieder nutzt!


Weshalb?

Bei den Dreharbeiten lässt sich der SWR-Journalist auch das derzeitige Ende der Bahnstrecke zwischen der Rosenheimer Lay und Elkenroth zeigen.

Nur so können sie eine wichtige Rolle spielen in unserem Kampf gegen die Klimakrise. Und was ich an Plänen gesehen habe zu dem, was Markus Mann vor hat – nämlich die Nutzung und Erweiterung der Bahnstrecke in Richtung seines Sägewerkes – finde ich sehr plausibel und nachvollziehbar und im Hinblick auf mehr Klimaschutz eine gute Sache. Das ist zumindest das Bild, das ich als Umwelt-Journalist von außen betrachten kann. Ich wüsste nicht, was gegen das Vorhaben spricht. Insofern würde ich mir noch mehr solche Beispiele wünschen.



Haben wir als Medien das Thema Klimaschutz generell und gerade solche Beispiele, wie wir es hier bei der „Westerwaldbahn“ sehen, zu lange vernachlässigt? Beziehungsweise waren solche Themen in den letzten zehn Jahren ausreichend repräsentiert in den Programmen und Zeitungen?

Ich denke, wenn man sich anguckt, was in den großen Leitmedien an Themen und in welchem Umfang behandelt wird, dann ist der Klimawandel, die Klimakrise und ihre Konsequenzen etwas, das erst in jüngerer Vergangenheit – nachdem die Folgen wie zum Beispiel mit unseren sterbenden Wäldern unübersehbar geworden sind – wirklich breit in den Fokus genommen worden ist. Es gab natürlich einige Medien, die das stärker thematisiert haben. Und in unserer SWR-Umweltredaktion gab es Journalisten, die haben schon vor 30 Jahren über den nötigen Klimaschutz berichtet. Aber dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ist noch nicht so ganz lange der Fall. Und an diesem dicken Brett ist noch immer viel zu bohren, da sind wir bei weitem noch nicht da, wo wir sein müssten. Denn die Folgen sind wirklich dramatisch, und das werden unsere Enkel ausbaden müssen. So wie sie jetzt schon, in anderen Teilen des Planeten, Menschen ganz konkret ausbaden. Deswegen finde ich solche Aktionen wie hier, wo konkret etwas passiert, so wichtig.