Gülle reduziert CO2-Bilanz auf dem Hubertushof

Matthias Müller lebt seit der Gründung des Aussiedlerhofs vor 50 Jahren dort.

Wenn man den zehn Kilometer langen Prädikats-Rundweg „Hohe Hahnscheid“ wandert und auf dieser „WällerTour“ rund um die 433 Meter hohe, markante Erhebung im reizvollen oberen Westerwald unterwegs ist, die dem Pfad seinen Namen gibt, dann erblickt man kurz vor der Rückkehr zum Startpunkt in Irmtraut den Hubertushof. Vielleicht bemerkt man dessen auffällig bunte Biogasanlage. Was man im Vorbeilaufen gleichwohl nicht sieht: Der Milchviehbetrieb hat eine umfassende Klimabilanz, und ausweislich derer einen vergleichsweise geringeren CO2-Fußabdruck. Hauptgrund dafür ist ausgerechnet die Biogasanlage, zu deren Entstehung einst eine Förderung von „MANN Energie“ beitrug.

Vor 50 Jahren wurde der heutige Hubertushof als Aussiedlerhof am nördlichen Rand der Ortsgemeinde Irmtraut gegründet. Während das Vieh in vielen Wäller Ställen seine Tage seinerzeit noch angebunden verbringen musste, wurde auf dem Hubertushof schon damals der erste Boxenlaufstall des Westerwaldes errichtet. Seither habe das Thema Tierwohl natürlich immer mehr Bedeutung erhalten, betont Landwirt Matthias Müller, Sohn der Hof-Gründer. So wurden die Stallungen immer wieder vergrößert, damit die Tiere zusehends mehr Platz erhielten. Sie entscheiden jederzeit, wann sie fressen gehen oder sich in eine der Liegeboxen zurückziehen.

Der Wanderer trifft auf dem Rundweg “Hohe Hahnscheid” auf den Hubertushof.

Lebten zu Beginn 60 Milchkühe auf dem Hubertushof und auf dem zuvor im Dorf beheimateten Vorgängerbetrieb erst 30, werden heute knapp 300 Tiere bei Matthias Müller gefüttert, gemolken, betreut. Im Schnitt der Herde 30 Liter Milch gibt eine Kuh am Tag – es seien Hochleistungslebewesen, hebt Müller hervor, die entsprechend gutes Futter benötigen.

Einst wurde noch mit Heu gefüttert, längst ist diese Nahrung durch Gras- und Maissilage aus eigenen Fahrsilos abgelöst worden, die eine höhere Energiedichte liefert. Die Ausgangspflanzen werden auf den 250 zum Hubertushof gehörenden Hektar Land angebaut, er deckt den gesamten Grundnahrungsbedarf der Milchkühe selbst. Anstelle von Sojaschrot aus Amerika oder Brasilien, das sowohl hinsichtlich möglicher Gentechnik als auch des CO2-Fußabdrucks und der oft im Zusammenhang stehenden Regenwaldabholzung bedenklich ist, bekommen die Milchkühe Reststoffe aus heimischer Rapsölproduktion als hochwertiges Eiweißfutter zusätzlich, ebenso Zuckerrübenschnitzel und Biertreber. Somit erfolgt über die Tiermägen außerdem eine sinnvolle Resteverwertung

Im Jahr 2000 wurde auf dem Anwesen am Rand von Irmtraut nicht nur ein weiterer Kuhstall neu errichtet, zudem entstand die erste Biogasanlage. Ein Grund für den Bau sei seinerzeit gewesen, Ärger aufgrund der Geruchsbelästigung durch das Ausbringen frischer Gülle zu vermeiden, erzählt Matthias Müller: „In der Biogasanlage wird die Gülle vergoren. Vergorene Gülle stinkt nicht mehr so wie die frische. Sie wird zudem ein effizienterer Dünger, da durch das Vergären ein besserer Nährstoffgehalt entsteht.“

Allerdings sei die Technologie für das Vorhaben damals noch relativ teuer gewesen, blickt der Landwirt zurück. Bei einer Beratung empfahl man ihm, sich deswegen auch mit der Möglichkeit zu befassen, mit der vergorenen Gülle „grüne Energie“ zu produzieren. „Nicht nur, um die Kosten aufzufangen, sondern irgendwann vielleicht sogar etwas Geld damit zu verdienen.“

Die Künstler Carl Kenz aus Kaiserslautern und Kram aus Barcelona haben mit ihrem “Mural” auf diesem Gülle-Vorratsbehälter auf dem Hubertushof eine kritische Betrachtung zur Milchwirtschaft geschaffen. Matthias Müller gefällt das. Foto: Schmalenbach

Eine Förderung des Landes Rheinland-Pfalz für Pilotanlagen half dem Landwirtschaftsmeister. Zudem gab es einen Zuschuss von „Naturstrom Rheinland-Pfalz“: Diesen hatte „MANN Naturenergie“ gemeinsam mit der Koblenzer Elektrizitätswerk und Verkehrs-AG gegründet (der Langenbacher Energieversorger ging allerdings ab 2007 komplett eigene Wege). „MANN konnte mithilfe von Einnahmen aus dem Verkauf von mit dem ‚Grüner Strom Label‘ zertifizierter Energie über ‚Naturstrom‘ ein so innovatives Projekt sponsern“, erinnert sich Firmenchef Markus Mann.

Und so ging die erste Biogasanlage auf dem Hubertushof bald darauf in Betrieb, verringerte nicht nur die Geruchsbelästigung durch die Gülle, sondern erzeugte über einen vom daraus entweichenden Gas angetriebenen Motor außerdem 55 Kilowatt (kW) elektrische Energie! Zwar habe sich das Projekt die ersten zwei, drei Jahre noch nicht gerechnet, doch mit einer später geänderten Einspeisevergütung wurde Biogas-Strom vom Hubertushof irgendwann sogar ein wirtschaftlich interessanter Erwerbszweig, berichtet Matthias Müller: „So ist Energieerzeugung mittlerweile ein zweites Standbein neben der Milch.“

Die aktuelle, 2016 neugebaute Biogasanlage liefert sogar 75 kW. Die Gülle kommt aus vier Lagerbehältern, die vom Stall aus befüllt werden. Die alte Biogasanlage wurde ebenfalls zur Lagerstätte umgenutzt. 20 bis 25 Kubikmeter Gülle am Tag treiben die Vorrichtung an, außerdem wird etwas Strohmist zum Beispiel aus dem Abkalbbereich hinzugegeben.

Die Effizienz der Anlage sei inzwischen natürlich erheblich besser als bei Beginn, führt der Hofchef aus. Die Hinterlassenschaften der 300 Kühe reichen vollständig aus, um die 75 Kilowatt hervorzubringen – es wird auf dem Hubertushof darum keinerlei Mais in der Biogasanlage „verfeuert“! Es gelingt, die notwendige Prozesstemperatur von 40 Grad, auf die die mit zehn bis 15 Grad ankommende Roh-Gülle zum Vergären gebracht werden muss, alleine mithilfe der Abwärme des vom Methan aus der Gülle angetriebenen Gasmotors zu erreichen. Zwei zum Hof gehörende Wohnhäuser werden, genauso wie die im Winter temperierte Melkanlage, über Fernwärmeleitungen ebenfalls mit der Abwärme aus der Biogasanlage beheizt. „Dadurch sparen wir seit zwei Jahrzehnten das klimaschädliche Heizöl ein!“, stellt Matthias Müller heraus.

Matthias Müller hat 2016 die ohnehin starke regionale Verankerung des Betriebs auch im Biogasbereich forciert: Zwei Kollegenbetriebe in den Nachbarorten Ailertchen und Hellenhahn hätten nach Absprache in dem Jahr die gleiche Technik aufgebaut, „so dass wir uns gegenseitig etwas aushelfen können.“

Es ist schon beeindruckend, welche technologischen Aspekte der „veredelten Gülle“, wie Matthias Müller es formuliert, für eine weniger klimaschädliche Landwirtschaft sorgen: Auch beim Ausbringen der vergorenen Gülle mittels speziell dafür angeschaffter Technik ergebe sich ein Vorteil. Sie werde direkt am Boden in Reihen abgelegt und nicht breitflächig darauf gesprüht. Dadurch minimiere man Nährstoffverluste und spare an anderer Stelle Mineraldünger ein. GPS-Technik an den Maschinen und zwei Traktoren mit Lenkautomat erlaubten es, „bei 24 Metern Arbeitsbreite auf den Zentimeter genau zu fahren!“

Nicht nur diese Biogasanlage produziert “grünen Strom” auf dem Hubertushof: Eine 99 Kilowatt leistende Photovoltaikanlage wurde 2012 zusätzlich installiert. Sie deckt 30 Prozent des Stromverbrauchs im Betrieb.

Man merkt: Der Hofherr (der die Betriebsleitung inzwischen seinem Schwiegersohn übertragen hat) macht sich eine Menge Gedanken darum, wie hocheffiziente Landwirtschaft, die zur Stillung unseres großen Lebensmittelbedarfs derzeit noch unverzichtbar ist, ökologisch besser werden kann, selbst wenn es sich nicht um einen Biobetrieb handelt. So hat Müller Klimabilanzen des Hubertushofs anhand zweier verschiedener Modelle erstellen lassen. Darin finden sich Handlungsempfehlungen, wie sich die Effizienz des Betriebs noch steigern lasse, ohne aber mehr Energie zu verbrauchen, was den CO2-Fußabdruck des Bauernhofs in der Verbandsgemeinde Rennerod weiter senken soll. Sein Ziel sei es, unterstreicht Müller, den derzeit noch bei 757 Gramm Kohlendioxid liegenden Fußabdruck für die Herstellung eines Kilogramms Milch im kommenden Jahr auf 728 Gramm zu verringern.

Eine Urkunde der Landwirtschaftskammer bescheinigt dem Landwirt, dass seine gesamtbetriebliche Klimabilanz “sauber” nach wissenschaftlichen Standars erstellt worden ist.

In den beiden Klimabilanzen des Hubertushofs finden etliche Faktoren Berücksichtigung, das Alter der benutzten Maschinen geht ebenso ein wie der Kraftfutteranteil, die Milchleistung der Kühe oder deren „Nutzungsdauer“. Ein Ergebnis der vor einem Jahr erstellten Auswertung: Der CO2-Fußabdruck der Milcherzeugung auf dem Hubertushof war mit exakt 757 Gramm CO2 je Kilogramm Milch schon zuvor 20 Prozent kleiner als in Vergleichsbetrieben. Eine Hauptursache dafür, so hält es die von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz betreute „Klima Farm Bilanz“ fest, sei „die zügige Überführung der anfallenden Gülle in die Biogasanlage. Dadurch werden Emissionen aus der Güllelagerung vermieden.“

Schon vor der offiziellen Klimabilanz hat Matthias Müller versucht, die Umweltbelastung der Landwirtschaft stetig zu verringern. Ein Beispiel dafür ist die Nutzung des Trinkwassers für die Kühe aus einem eigenen Brunnen: Dieses wird zunächst durch einen mit der Milchkühlung verbundenen Wärmetauscher geleitet. Das Wasser entzieht Wärme, seine anschließend erhöhte Temperatur sei für die Kühe sogar vorteilhaft. Für die Kühlung der Milch braucht im Gegenzug weniger Strom aufgewendet zu werden, der Wärmetausch bringt eine Abkühlung von zehn auf vier Grad Celsius. Eine Wärmerückgewinnung an der Kühlanlage produziert zusätzlich heißes Wasser zum Spülen der Apparatur.

„Solche Dinge haben wir schon vor der Klimabilanz gemacht, aber mich interessieren die Stellschrauben, wo wir in Zukunft noch mehr machen können. Das zeigen uns die Analysen. Darum habe ich an dem Beratungsprogramm teilgenommen“, erläutert Matthias Müller seinen Antrieb. Die Nutzungsdauer der Kühe auf 32 Monate zu verlängern ist eine Empfehlung der „Farm Klima Bilanz“. Mit dieser Maßnahme sowie bei weiterer Reduzierung des Stickstoffüberschusses auf Futterflächen würden weitere 84 Tonnen CO2 eingespart. Zum Vergleich: Dafür müssten 270 Dreipersonenhaushalte ein Fünftel ihres Stromverbrauches reduzieren.

Zweieinhalb bis drei Millionen Liter Milch im Jahr geben die Kühe von Matthias Müller. Doch inzwischen ist „grüner Strom“ aus deren Ausscheidungen daneben ein weiterer „richtiger“ Wirtschaftszweig geworden – auch dank der ursprünglichen Förderung der ersten Anlage: Im Jahr produziert der Hubertushof 600.000 Kilowattstunden „grünen Strom“ aus Methan-Gas.

Uwe Schmalenbach

Es kommt auch auf die Substanzen an

Dr. Christian Rakos ist der Geschäftsführer des österreichischen Pelletverbandes. Foto: proPellets Austria

Immer wieder kommt die Kritik auf, ausgerechnet die Nutzung von Holzpellets verursache zu hohe Feinstaubemissionen und sei daher gesundheitsgefährlich. Dabei gibt es etwa auch durch Landwirtschaft und Frühjahrsblüten reichlich Staub. Wie schädlich ist der „Pellet-Feinstaub“ wirklich?

„Bei Feinstaub kommt es nicht nur auf die Menge und die Partikelgröße an, sondern vor allem auch darauf, um welche Substanzen es geht“, erklärt Dr. Christian Rakos, Geschäftsführer von „proPellets Austria“ und Präsident des Welt-Bioenergieverbandes, auf Nachfrage der „Wäller Energiezeitung“. „Bei modernen Pelletfeuerungen wird der Brennstoff bei sehr heißen Temperaturen vollständig verbrannt. Es entsteht keinerlei Ruß, sondern nur helle, weiße Asche, die vorwiegend aus wasserlöslichen Mineralsalzen besteht, die toxikologisch unbedenklich sind“, so der Diplomingenieur.

„Hinzu kommt, dass die Menge an Asche, die in Form von Feinstaub in die Luft gelangt, inzwischen verschwindend gering ist. Wir sprechen von zwei Handvoll Asche, die im Laufe einer ganzen Heizsaison emittiert werden.“ Dies sei völlig vernachlässigbar und spiele keinerlei Rolle für die Feinstaubbelastung der Luft, betont Rakos. In der Diskussion werde – sogar von vermeintlichen Experten – allzu oft vergessen, „dass man den Verbrennungsvorgang in einer modernen Pelletheizung nicht mit einem Lagerfeuer oder einem Stückholzkamin vergleichen darf.“

Angebliche Feinstaubbelastung: Zu pauschal

Kamin- und Kachelöfen produzieren weitaus mehr Feinstaub als moderne Pelletanlagen.

Der Ukraine-Konflikt hat vielen deutlich gemacht, wie sehr wir von Brennstoffimporten abhängig sind, und es wächst der Wunsch, sich vom Heizen mit Gas und Öl loszulösen. Doch zugleich sind manche Verbraucher verunsichert durch neuerliche Kritik an Holzpellets: Jüngst warf Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts (UBA), ein, man müsse sich zugunsten der Luftqualität „von der Verbrennung von Holz in unseren Haushalten verabschieden.“ Die Anprangerung, die energetische Nutzung von Holz verursache zu hohe Feinstaubemissionen, ist allerdings undifferenziert, bemängelt nicht nur der „Deutsche Energieholz- und Pellet-Verband“ (DEPV).

Pelletheizungen tragen zu der bundesweiten Feinstaubbelastung kaum bei. Grafik: DEPI

Pelletheizungen gelten als klimaschonendere Alternative zu Gas- und Ölheizungen. Und doch: Komplett emissionslos ist die Verfeuerung des umweltfreundlichen Brennstoffes nicht. Die Forderung, auf die energetische Nutzung von Holz zu verzichten, um eine bessere Luftreinhaltung zu ermöglichen, werde allerdings dem Entwicklungsfortschritt moderner Pelletanlagen nicht gerecht und ignoriere deren emissionsarme Technologie, betont der DEPV.

So sollte vor allem unterschieden werden zwischen automatisch und manuell beschickten Feuerungen. Geschieht die Beschickung – also das Nachlegen des Brennmaterials – manuell (etwa bei Kamin- und Kachelöfen), lässt sich eine vollständige Verbrennung des Holzes nur schwer kontrollieren: Möglich ist, dass zu viel Holz in die Feuerungsstätte gelangt, was zu einem hohen Aschegehalt und starker Rußbildung führt. Bei einer automatischen Beschickung, wie sie bei Pelletheizungen der Fall ist, wird das vermieden, weil die benötigte Menge des Brennstoffs über eine Zuführeinrichtung (zum Beispiel eine Förderschnecke) computergesteuert erfolgt.

„Moderne, automatisch betriebene und vom Staat geförderte Holzfeuerungen sind heute so sauber wie noch nie. So werden die gesetzlich vorgegebenen Staubgrenzwerte von 0,02 g/m3 Abluft vom Schornsteinfeger regelmäßig kontrolliert. Darüber hinaus sind in den gesetzlichen Mindestanforderungen zur Förderung von Holzfeuerungen in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) weitergehende Beschränkungen (0,015 g/m3 Abluft) vorgeschrieben. Der BEG-Innovationsbonus fordert gar eine Emission von unter 0,0025 g/m3, wofür heute alle Hersteller von Pelletkesseln im DEPV entsprechende Modelle anbieten“, stellt der DEPV klar.

Auf die Pauschalität der Vorwürfe gegen Holzfeuerungen – der einem „Generalangriff auf die nachhaltige Holzwärme“ gleichkomme – gehen auch elf Verbände der Forst-, Holz- und Energiewirtschaft ein, die Messner in einem gemeinsamen Schreiben dazu auffordern, die Darstellung der Holzenergie zu differenzieren. Das Gros der Feinstaubemissionen aus Holzfeuerungen stamme aus dem Altbestand an Holzöfen und -heizungen, heben die Verfasser hervor. Tatsächlich seien moderne Anlagen dazu in der Lage, Emissionen um bis zu 90 Prozent zu reduzieren und die Energieeffizienz zu verdoppeln.

Beim “Pellematic Condens” kann die “ZeroFlame-Technologie” eingesetzt werden. Foto: ÖkoFen

Die „Wäller Energiezeitung“ fragt bei der „ÖkoFen Heiztechnik GmbH“ nach, einem weltweit führenden Spezialisten für moderne Pelletheizungen. Auch das Unternehmen bestätigt, dass Pelletheizungen „zu den saubersten Holzfeuerungsanlagen“ gehörten und keinen Einfluss auf die Feinstaubemissionen in Deutschland nehmen. Zudem: „Jede Pelletheizung spart jährlich acht Tonnen CO2 ein. Das ist im Vergleich so viel, wie nur der Verzicht auf drei Dieselautos einsparen könnte“, heißt es in einer Stellungnahme. Verbraucher, die eine Pelletheizung nutzen wollen, sollten auf die richtige Technik setzen, um Co2 und Feinstaub zu vermeiden.

Bei „ÖkoFen“ kommt beispielsweise die „ZeroFlame Technologie“ zum Einsatz, ein Verfeuerungskonzept, das für die Brennwertbaureihe „Pellematic Condens“ (mit einer Nennlast von zehn bis 14 Kilowatt) verfügbar ist. Es handelt sich um eine Technik, die Staubemissionen nahe dem Nullwert erreicht: Durch eine spezielle Luftstromführung beziehungsweise -anreicherung in Kombination mit einer besonderen Brennkammerkonstruktion verschwindet die Flamme im Pelletofen fast vollständig. So werden Feinstaub-Partikelemissionen auf ein Minimum reduziert, das kaum noch messbar ist. Auf diese Weise werde für Wärme sowie für saubere Abluft gesorgt, teilt „ÖkoFen“ mit.

Die Unterscheidung der Feuerungsanlage ist also wesentlich in der Feinstaub-Diskussion. Eine Tatsache, die sogar das UBA selbst anzuerkennen scheint: „Gerade beim Verbrennen minderwertigen Holzes in alten, schlecht gewarteten Öfen und bei ungünstigen Verbrennungsbedingungen entstehen unnötig viele Emissionen“, kann man auf der Website der Behörde beim Themenbereich „Heizen mit Holz“ nachlesen. Weiter wird sogar dazu geraten, beim Kauf eines Holzofens darauf zu achten, „dass die Feuerstätte effizient und emissionsarm ist.“ Und: „Ältere Feuerstätten, die vor 2010 errichtet wurden, haben häufig höhere Emissionen und einen geringeren Wirkungsgrad und sollten daher ausgetauscht werden.“

Festhalten lässt sich also: Möchte man die Luftreinhaltung fördern, sollte man nicht pauschal die energetische Holznutzung aufgeben, wie von dem UBA-Präsidenten eingeworfen wurde, sondern vielmehr alte Heizanlagen gegen moderne, automatisch betriebene Pelletheizungen tauschen.

Ein Plan zur Verringerung des Fußabdrucks

Ein Gedenkstein neben dem Schulhaus erinnert an Sankt Katharina. Das Gotteshaus wurde 1966 abgerissen.

Genau dort, wo der Elbbach in die Sieg mündet, thront das Schloss Schönstein im gleichnamigen Wissener Stadtteil auf einer Halbinsel zwischen den beiden Gewässern. Direkt gegenüber, am westlichen Ufer des Baches, steht auf einem Felsen das ehemalige Schulhaus Schönsteins. Es ist gerade eingerüstet: Eine umfangreiche Photovoltaikanlage soll installiert werden, mit der die heutigen Nutzer des Gebäudes ihren eigenen CO2-Fußabdruck verringern wollen.

Mario Brenner heizt künftig nur mit Scheitholz und WWP. Foto: Schmalenbach

Mario Brenner kennt sich aus mit Planungen. Der Diplom-Ingenieur ist Chef eines in Hennef angesiedelten Ingenieurbüros für Tiefbau. Dieses arbeitet viel für Versorgungsträger, die Projekte betreffen zum Beispiel Kanalisationssysteme ebenso wie Flughäfen. Mal dreht es sich dabei um Erschließung, dann wieder um Wärmerückgewinnung aus Abwasser. „Überall da, wo Infrastrukturplanung benötigt wird“, werden er und sein Team tätig, erläutert Brenner.

1999 kaufte der gebürtige Gebhardshainer die alte Dorfschule in Wissen-Schönstein. Sie stammt aus dem Jahr 1891, und Mario Brenner baute sie in Eigenleistung hinreißend schön um, wahrte den alten Charme. „Alles noch als Student“, lacht der Westerwälder. 2011 ergänzte er, bewusst als Bruch, wie er betont, einen modernen Anbau. Dieser steht auf dem Nachbargrundstück, auf dem Überreste des ehemaligen Chorraums eines 1875 hier errichteten Sakralbaus zu finden sind.

Brenners Frau Petra Hassel ist Friseurmeisterin und betrieb ihren eigenen Salon in einem angemieteten Ladenlokal in Wissens Innenstadt, ehe sie die Geschäftsräume im Juni 2000 in den einstigen Schulsaal im Erdgeschoss des Hauses verlegte. Seither wird dort „gewaschen, geföhnt, gelegt“ – mit Blick aufs Schloss Schönstein.

Petra Hassel hat ihren Salon im ehemaligen Schulsaal untergebracht.

Im Salon „DIE TOLLE“ sind acht Menschen tätig. Es existieren elf Bedienplätze, unter der Decke hängen etliche „Climazon“-Geräte, deren Wärmestrahlung beispielsweise die Einwirkzeit von Haarfärbemitteln reduziere, erklärt Fachfrau Hassel. Allerdings: Jedes der Geräte hat eine Leistungsaufnahme von 2.500 Watt (kW)… 20.000 Kilowattstunden (kWh) groß sei der Strombedarf ihrer Immobilie im Jahr, berichtet Mario Brenner, „drei Viertel davon entfallen auf den Laden, da es dort etliche leistungsstarke Geräte gibt.“

Unter anderem durch die neue Photovoltaik (PV) soll die Zielsetzung erreicht werden, „den Eigenbedarf selbst zu produzieren und unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren“, betont der Bauingenieur. Ein 20-kW-Speicher wird Teil der Anlage. Brenner hat berechnet, dass die 52 PV-Module einen Maximalwert („Peak“) von 21 kW zu leisten vermögen – trotz einer etwas ungünstigen Ausrichtung des Flachdachs auf dem Neubau in nördlicher Richtung und des Satteldachs auf dem Schulhaus in Ost-West-Ausrichtung.

Das Gebäude, das jetzt mit PV ausgerüstet wird, liegt dem Schloss Schönstein gegenüber. Foto: privat

Mario Brenner ist seit Jahren im NABU, dem Naturschutzbund Deutschland e.V., aktiv. Dort war er bereits als Zivildienstleistender, ja, gründete gemeinsam mit einem örtlichen Förster eine NABU-Ortsgruppe in Gebhardshein. „Wir haben uns früh für ‚MANN Naturstrom‘ entschieden, für die Privatwohnung ebenso wie für den Salon im Erdgeschoss“, erzählt Brenner. Das sei eine bewusste Wahl gewesen, so der Mitbesitzer eines Waldes, der den Ess- und Wohnbereich auf der ersten Etage seines Hauses vor allem mit Scheitholz in einem Kaminofen heizt.

Kurz, bevor er in die Sieg mündet, passiert der Elbbach Mario Brenners Haus.

Die noch vorhandene Zentralheizung hingegen werde dazu seltenst eingesetzt. Es handelt sich um eine Ölheizung, die beim Umbau des Gebäudes zwar auf einen Brennwertkessel umgestellt worden sei. Außerdem kommt Solarthermie hinzu. Doch vom Öl wolle er weg, Gas sei ebenso wenig eine umweltfreundliche Alternative, unterstreicht Mario Brenner.

Darum wird die alte Schönsteiner Dorfschule bald, wenn die neue PV-Anlage bereits etliche Kilowattstunden „grünen Strom“ produziert haben wird, abermals zur Baustelle: Die Ölheizung soll gegen eine Pelletheizung ausgetauscht werden. Der Ökologie wegen. „Außerdem passen Pellets sehr, sehr gut aufgrund unseres Heizverhaltens im Salon und der baulichen Gegebenheiten“, sagt der Hausherr.

Es dauert indes noch ein paar Wochen bis zum Umbau im Heizungsraum, denn wegen des Salons von Petra Hassel muss die Maßnahme gut geplant sein. Aber das kann Ingenieur Brenner ja sicherlich bestens. „Der Salon muss während des Umbaus der Heizung geschlossen sein, da es währenddessen kein warmes Wasser gibt“, führt er zum Vorhaben aus.

Zwei Friseurmeister, drei Gesellen, zwei Auszubildende und eine Rezeptionistin sind im Salon “DIE TOLLE” tätig.

In den Herbstferien soll die Pelletheizung eingebaut werden. Ein gedämmtes Gartenhaus wird zum Außenlager werden, aus dem über erdverlegte Schläuche Pellets in den Brenner befördert werden. Dieser wird von der Firma „ÖkoFEN“ kommen und 25 Kilowatt Leistung aufweisen.

Der achteinhalb Tonnen fassende Vorrat im Außenlager werde – natürlich – mit „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gefüllt. Das sei ebenfalls eine bewusste, „ganz klare Zielsetzung: Die WWP-Pellets kommen aus der Nähe, wir sind damit weg von Öl und Gas. Außerdem kennen wir MANN als zuverlässigen Versorger bereits vom Strom.“ Das werde bei den WWP, die zur MANN-Firmengruppe gehören, nicht anders sein. Darum habe man das Langenbacher Unternehmen von Anfang an als Lieferanten eingeplant.

Wie gesagt: Gut planen kann ein Inhaber eines Ingenieur-Planungsbüros vermutlich…

Uwe Schmalenbach

Energiegenossenschaften leisten einen wichtigen Beitrag für die Energiewende

Laura Zöckler (Foto: Bürgerwerke AG)

Die Transformation unserer Energieversorgung ist vor allem eine gesellschaftliche Herausforderung, sagt Laura Zöckler, Vorstandsmitglied der Heidelberger Energiegenossenschaft (HEG). Sie funktioniere nur, wenn die Menschen mitgenommen werden. Bei einer Energiegenossenschaft ist das möglich, „wir sind kein anonymer Konzern“.

Frau Zöckler, Sie sind Vorstandsmitglied der Heidelberger Energiegenossenschaft. Warum sollte es eine Energiegenossenschaft sein?

Erneuerbare Energien sind schon lange Teil meines Lebens, auch wenn ich das erst später erkannt habe. Durch meine älteren Geschwister hatte ich schon sehr früh gehört, dass eigentlich Erneuerbare die Lösung sind und war deswegen sehr aufgeschlossen. Ich hatte auch mal angefangen, Physik zu studieren, um damit später im Bereich der Energiewende etwas beitragen zu können. Als ich dann nach Heidelberg zum Studium gezogen bin, habe ich an einem Workshop teilgenommen, bei dem ich eine Stellwand über die Heidelberger Energiegenossenschaft und andere nachhaltige Initiativen gesehen habe. Also bin ich kurze Zeit später bei der HEG vorbeigegangen und seitdem dort geblieben. Erst habe ich freiwillig im Projektteam mitgearbeitet. 2018, genau einen Monat nachdem ich mein Politikwissenschaft-Studium beendet hatte, bin ich in den Vorstand bestellt worden.

Bei der HEG arbeiten Sie mittlerweile im Bereich Presse und Kommunikation. Warum gerade hier?

Während meines Studiums habe ich viel mit Kommunikation jeglicher Art zu tun gehabt, das liegt mir. Zum Planen für Anlagen und ähnliches gab es bei der HEG schon viele helfende Hände. Die Arbeit der Genossenschaft aber auch in der Öffentlichkeit stärker zu zeigen – da habe ich noch mehr Potential gesehen, deswegen wollte ich mich hier einbringen. Es gibt diverse Energiegenossenschaften, die super coole Projekte umsetzen, aber kaum darüber reden. Dann kriegt es aber auch niemand mit. Das wollte ich bei uns verhindern. Kaum zu glauben, aber mittlerweile mache ich das seit zehn Jahren. Es macht einfach Spaß, über eine gute Sache zu reden, hinter der man zu 100 % steht.

Warum hat man sich damals für eine Genossenschaft entschieden und nicht für eine andere Rechtsform?

Für Solarprojekte ist die Genossenschaft in Deutschland eine der typischen Rechtsformen. Das liegt vor allem daran, dass es eigentlich die demokratischste Unternehmensform ist, die es so gibt. Bei uns zum Beispiel kann man schon ab 100 Euro Mitglied werden, bei manchen Genossenschaften sind es 250 Euro, aber generell sind die Beiträge relativ gering. Außerdem spielt es erstmal im Gegensatz beispielsweise zur Aktiengesellschaft keine Rolle, wie viel Geld man als Mitglied der Genossenschaft zahlt: Jedes Mitglied hat genau eine Stimme in der Generalversammlung. Das heißt, jeder und jede hat unabhängig von der Höhe seiner Investition das gleiche Mitspracherecht, um Belange der Genossenschaft mitentscheiden zu können. Es gibt zwar auch simplere Rechtsformen wie zum Beispiel bei Windparks, die öfter als GbR geführt werden. Hier sind es weniger Beteiligte und der Jahresabschluss ist nicht so komplex. Bei der Genossenschaft hingegen ist die Verwaltung aufwendiger, wird werden beispielsweise sehr genau durch den Verband. Geprüft. Das ist zwar in der Vorbereitung aufwendig, aber auch sehr gut, denn es führt dazu, dass Genossenschaften quasi nicht insolvent gehen.

Mittlerweile zählt die HEG weit über 1000 Mitglieder. Wirkt sich die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger konkret auf die Akzeptanz der Erneuerbaren in der Region um Heidelberg aus?

Laura Zöckler mit Kollegen (Foto: Heidelberger Energiegenossenschaft)

Wir haben aktuell 1.036 Mitglieder und es kommt pro Woche etwa eine Handvoll hinzu. Wir erleben seit vielen Jahren einen wirklich großen Zuspruch. Ich kann jetzt aber für Heidelberg natürlich nicht sagen, wie es ohne unsere Genossenschaft wäre. Aber es gibt natürlich viele Studien, die sich mit der Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Projekten auseinandersetzen. Die zeigen, dass die Akzeptanz steigt, wenn Menschen sich vor Ort beteiligen können und auch das Gefühl haben, ernsthaft gehört zu werden. Gerade auch bei Windenergieanlagen sieht man, dass bei einer inhaltlichen und finanziellen Beteiligung der Menschen der Widerstand deutlich abnimmt. Wenn wir mit Menschen ins Gespräch kommen, zum Beispiel an einem Marktstand oder über Social Media, erfahren wir letztendlich nur Zustimmung. Akteure vor Ort, wie Genossenschaften oder auch andere Initiativen, die sich mit Erneuerbaren Energien beschäftigen, können die Bedenken, die es bei Menschen vielleicht noch gibt, wirklich extrem gut auflösen und leisten viel Aufklärungsarbeit. Wir setzen die Projekte konkret um, bei uns kennt man die Menschen, die dahinter stehen. Wir sind kein anonymer Konzern. Wir steigern die regionale Wertschöpfung und die Renditen fließen an unsere Mitglieder zurück, also an die Menschen, die quasi neben den Anlagen wohnen oder die am Wochenende daran vorbeispazieren können. Wir werden die Energiewende nur schaffen, wenn die Menschen mitmachen, denn technologisch sind die Lösungen ja da. Es ist eine gesellschaftliche Herausforderung, diese Transformation rechtzeitig zu schaffen, und das funktioniert eben nur, wenn die Menschen mitgenommen werden und das ermöglichen wir Energiegenossenschaften.

Sie engagieren sich auch bei den Bürgerwerken, einem bundesweiten Zusammenschluss von Energiegenossenschaften. Wie kam es dazu?

Eigentlich habe ich mir schon in jungen Jahren geschworen, dass ich niemals Werbung für etwas machen würde. Ich sah Werbung immer kritisch, weil sie oft nur sinnlosen Konsum antreibt. Und jetzt mache ich quasi Vollzeit Werbung für die Energiewende in Bürgerhand. Ich bin 2015 als Praktikantin und Werkstudentin zu den Bürgerwerken gekommen. Nach meinem Studium wurde ich übernommen. Nun arbeite ich 70 Prozent bei den Bürgerwerken und den Rest der Zeit bei der HEG. Das ist wunderbar, denn ich weiß jeden Tag, wofür ich aufstehe, und kann mit meiner Arbeit die Welt ein bisschen besser machen.

Was ist das Besondere an den Bürgerwerken?

Die Bürgerwerke wurden 2013 als genossenschaftlicher Energieversorger gegründet. Neun Energiegenossenschaften hatten sich dazu zusammengeschlossen, darunter wir von der HEG. Als Genossenschaft bauen wir die Anlagen, erzeugen den Strom und speisen den Strom ins Netz. Wir hatten aber von Anfang an den Wunsch, einen Kreislauf aufzubauen, damit die Genossenschaft ihren Mitgliedern und auch anderen Menschen in der Region den erneuerbaren Strom auch selbst liefern kann. Dieser Vorgang ist jedoch ziemlich komplex. Viele arbeiten in den Energiegenossenschaften meist im Ehrenamt und ein solches System und das notwendige Kapital aufzubauen, schafft man unter diesen Rahmenbedingungen nicht. Deshalb haben wir uns getreu dem genossenschaftlichen Prinzip ‚Was einer nicht schafft, das schaffen viele‘ 2013 mit acht Energiegenossenschaften zusammengeschlossen und die Bürgerwerke als Dachgenossenschaft gegründet. Die Bürgerwerke sind also auch eine Energiegenossenschaft, nur dass hier nicht einzelne Menschen die Mitglieder sind, sondern die Energiegenossenschaften.

Mittlerweile sich 100 Energiegenossenschaften aus ganz Deutschland Mitglied bei den Bürgerwerken. Und diese können nun über die Bürgerwerke Menschen mit erneuerbarem Strom und Gas versorgen. Die Bürgerwerke übernehmen alle Aufgaben eines Energieversorgers und die Genossenschaften können vor Ort weiter ihre Arbeit machen. Mit den Einnahmen decken die Bürgerwerke ihre laufenden Kosten und was übrigbleibt, wird an die Energiegenossenschaften zurückgegeben. Das wiederum sichert uns feste Einnahmen, die wir in Personal und neue Projekte fließen lassen können.

Im März starten die Bürgerwerke eine Crowdinvesting-Kampagne. Wie werden solche Angebote angenommen?

Wir haben 2017 bereits ein erfolgreiches Crowdinvesting durchgeführt. Seitdem wurden wir immer wieder von Unterstützer*innen gefragt, wann man sich denn wieder auch finanziell an den Bürgerwerken beteiligen kann. Deshalb haben wir uns für ein neues Crowdinvesting entschieden, das am 1. März startet. Viele Menschen suchen nach nachhaltigen, vernünftigen Investitionsmöglichkeiten. Sie wissen, dass bei fast jeder Bank irgendwie auch Kohle und Atomkraft mitfinanziert werden und das Zinsniveau weiterhin sehr niedrig ist. Das trägt alles dazu bei, dass die Nachfrage bei uns steigt. Und das ist ja genau die Idee der Bürgerenergie: So viele Menschen wie möglich an der Energiewende beteiligen.

Mit Blick auf Bürgerwerke und Energiegenossenschaften – würden Sie den Satz unterschreiben: „Erneuerbare Energien demokratisieren im Gegensatz zur Atomkraft und Kohle die Energieversorgung.“?

Laura Zöckler (Foto: Heidelberger Energiegenossenschaft)

Ja absolut, denn mit Erneuerbaren Energien kann eben jede und jeder einen Beitrag leisten – durch Mitgliedschaft in einer Energiegenossenschaft oder auch mit einer Solaranlage auf dem eigenen Dach beziehungsweise mit einem Modul auf dem Balkon. Ein Balkon-Atomkraftwerk gibt es ja bisher nicht, auch wenn manche das angeblich gern hätten.

Klar, auch eine große Solaranlage kann man nicht unbedingt allein finanzieren, aber wenn man sich zum Beispiel zu einer Genossenschaft zusammentut, kann man dies gemeinsam tun und demokratisch über die eigene Energieversorgung mitbestimmen. Eine Beteiligung von Bürger*innen an fossilen oder atomaren Projekten ist schon aufgrund der hohen Investitionssummen eigentlich kaum möglich und ehrlicherweise war etwas Derartiges auch nie gewollt. Ich kenne auch niemanden, der sich direkt an einem Kohlekraftwerk beteiligen möchte.

Keine 30 Kilometer südlich von Heidelberg war bis 2019 das Atomkraftwerk Philippsburg in Betrieb. Hat die räumliche Nähe zur Atomkraft bei der Gründung der HEG oder bei Ihrem persönlichen Engagement für die Energiewende eine Rolle gespielt?

Bei mir selbst nicht, weil ich ursprünglich nicht aus Heidelberg komme, sondern aus Hessen. Da war Biblis näher. Ich lebte aber nie so nah dran, dass ich es als direkte Bedrohung wahrgenommen hätte, das war eher abstrakt. Wenn man in Heidelberg oben beim Schloss ist, sieht man bei gutem Wetter das Kohlekraftwerk in Mannheim und in der anderen Richtung Philippsburg. Da hat man ganz plastisch vor Augen, was man nicht will und wo der Weg hinführen muss. Ich und meine Mitstreiter*innen hätten die Energiegenossenschaft aber auch ohne ein Atomkraftwerk in der Nähe gegründet. Wir wissen, dass die Energiewende notwendig ist.

Man könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass nur Deutschland Konsequenzen aus der Katastrophe von Fukushima vom März 2011 gezogen hat. Sie waren bei dem Unglück Studentin – können Sie sich noch daran erinnern, wie es Ihnen damals ging, als Sie die Bilder sahen?

Ja total, ich war beim Zahnarzt und habe dort die Nachrichten im Radio gehört. Am nächsten Tag bin ich mit Kommilitoninnen eine Woche in den Urlaub gefahren und ich habe tatsächlich fast die komplette Woche vor dem Fernseher verbracht. Die anderen haben Filme geguckt und Spaß gehabt – für mich war das einfach nur dystopisch. Tschernobyl war zwar vor meiner Geburt, aber ich wusste, was da passiert ist und wie gefährlich die Atomkraft ist. Aber, dass ich mit eigenen Augen live mitverfolgen würde, wie das Atomkraftwerk in Fukushima in sich zusammenfällt und alles verstrahlt, war für mich kaum fassbar.

Was könnte in den kommenden vier Jahren getan werden, um den Energiegenossenschaften die Arbeit zu vereinfachen?

Ein wichtiger Schritt wäre, die Komplexität und Bürokratie zu reduzieren. Das EEG umfasste mal wenige Seiten. Jetzt ist es auf hunderte angewachsen. Wenn man im Ehrenamt arbeitet, so wie es viele bei den Energiegenossenschaften tun, und keine eigene Rechtsabteilung hat, dann kann man sich mit solchen umfangreichen Gesetzgebungen und Änderungen kaum ausreichend auseinandersetzen. Wir haben zum Beispiel mit der HEG 2013 eines der ersten genossenschaftlichen Mieterstromprojekte umgesetzt. Wir hatten uns durchgewurstelt, weil wir damals so verrückte Studis waren. Wir wurden mit Auszeichnungen quasi überschüttet – neun Jahre danach sind solche Projekte für die meisten Genossenschaften und auch andere Akteure immer noch zu komplex. Obwohl die HEG ihr Wissen und ihre Erfahrungen regelmäßig in Mieterstrom-Workshops weitergibt. Das ist echt ein Problem, denn gerade in den Städten brauchen wir solche Modelle: Hier wohnen viele Bürger*innen in gemieteten Wohnungen und haben ungenutzte Dächer über sich. Wir müssen die Energiewende in die Breite bekommen, Solaranlagen auf Eigenheimen reichen nicht.

Außerdem wäre es wichtig, dass Deutschland jetzt, wie angekündigt, auch tatsächlich die EU-Richtlinie zum „Energy-Sharing“ umsetzt. Die alte Regierung war hier ja nicht so aktiv, aber ich bin ganz guter Dinge, dass es jetzt in die richtige Richtung geht. Weil die aktuelle Regierung schon aus Grundüberzeugung heraus mehr Lust haben sollte, Energiewende zu ermöglichen. Also ich glaube nicht, dass das jetzt super easy wird, aber ich hoffe, dass es auf jeden Fall an einigen Stellen einfacher wird.

Manchmal weiß man bei der ganzen Bürokratie nicht mehr, ob hier ein guter Wille dahintersteckte und es dann schiefgelaufen ist oder ob das wirklich aktiv gemacht wurde, um kleine Akteure auszubremsen. Die neue Regierung sollte einfach mal in die Gesetze reinschauen und überlegen, wo man Dinge vereinfachen könnte, damit wäre schon viel getan, für die Energiegenossenschaften und für andere Akteur*innen auch.

#ErneuerbarStattAtomar

„WO IN EUROPA KÖNNTE MAN WOHNEN, DASS MAN GARANTIERT VON KEINEM AKW BETROFFEN IST, VIELLEICHT ISLAND?

Jutta Paulus, Abgeordnete für die Grünen beim EU-Parlament

Interview

"Wo in Europa könnte man wohnen, dass man garantiert von keinem AKW betroffen ist?"

Ende 2022 gehen die drei letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Jutta Paulus », Abgeordnete für die Grünen beim EU-Parlament, spricht mit uns » über das geplante EU-Zertifikat für nachhaltige Finanzprodukte, heimischen Uran-Abbau und Haftungsversprechen für havarierte Atomkraftwerke im europäischen Ausland. 

„Wo in Europa könnte man wohnen, dass man garantiert von keinem AKW betroffen ist, vielleicht Island?

Ende des Jahres gehen die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Doch die Atomenergie ist damit nicht vom Tisch. Jutta Paulus, Abgeordnete für die Grünen beim EU-Parlament, spricht mit uns über das geplante EU-Zertifikat für nachhaltige Finanzprodukte, Uran-Abbau in Deutschland und Haftungsversprechen für havarierte Atomkraftwerke im europäischen Ausland.

Frau Paulus, am 31.12.2021 gingen drei weitere deutsche Atomkraftwerke vom Netz. Wo waren Sie und was ging in Ihnen vor?

Ich war tatsächlich aufgrund der Pandemie zuhause. Leider, sonst wäre ich wohl zu einer Abschiedsparty gefahren. Es gab zwar diverse Mahnwachen, aber eine wirkliche Party gab es leider nicht.

Sie sind in Gießen geboren. Im Umkreis von 260 Kilometer gab es drei Atomkraftwerke. Hat das für Sie als Kind und als Jugendliche eine Rolle gespielt?

#ErneuerbarStattAtomar

In meiner Kindheit und Jugend habe ich mich eigentlich wenig mit dem Thema Atomkraft auseinandergesetzt. Das kam erst mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl wie ein Paukenschlag. Damals war ich gerade kurz vor dem Abitur. Für mich war das wirklich eine Zäsur und es hat meine Haltung zur Atomenergie selbst nachhaltig verändert. Eigentlich bin ich eher naturwissenschaftlich orientiert und hatte den Beteuerungen der Atomtechniker, dass man alle Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hatte, geglaubt. Und dann geht so ein Reaktor hoch und man erfährt es auch erst Tage später. Mein damaliger Freund, Physiker, hatte damals gesagt: ‚Ich bin heute bei uns im Institut nicht hereingekommen, weil die Strahlenschleuse angeschlagen hat.‘ Er war durch den Regen zur Arbeit gelaufen. Etwas, was mich in diesem Zusammenhang ebenfalls sehr beunruhigt und mein Vertrauen in die Politik nachhaltig erschüttert hat, war die Aussage des damaligen Innenministers. Er sagte, die Strahlung mache mehr oder minder an der deutschen Grenze halt, es bestehe keinerlei Gefahr.

Die letzten Atomkraftwerke in Deutschland sollen nun in diesem Jahr stillgelegt werden, wie denken Sie darüber?

Eins davon ist Neckarwestheim, bei entsprechendem Wetter kann ich von meinem Balkon aus die Dampfwolke sehen. Da denke ich immer: ‚Mein Gott, die drei noch, hoffentlich halten sie so lange durch.‘ Gleichzeitig bin ich erleichtert und verspüre Bedauern, denn einer der stärksten Kämpfer, der zwar nicht Mitglied meiner Partei war, aber sehr viel zu diesem Ziel der Abschaltung beigetragen hat, Jochen Stay, wird das nicht mehr erleben, da er vor wenigen Tagen gestorben ist. Das ist wirklich sehr, sehr schade, weil Jochen sich wie kaum ein anderer für den Atomausstieg eingesetzt und auch nicht lockergelassen hat, als wir alle nach dem ersten Atomausstieg unter Rot/Grün dachten, es sei gelungen. Jochen war einer der wenigen, die gesagt haben: ‚Wartet ab, das kriegen wir wieder auf den Tisch gelegt. Sie arbeiten schon am Roll-Back‘. Und er hat recht gehabt.

Könnte das nochmal passieren?

Ich glaube, diese Gefahr ist jetzt gebannt. Es wird niemand mehr in Deutschland ein AKW bauen wollen. Ich bin wirklich froh, dass wir jetzt wirklich aus dem Betrieb der Atomkraftwerke rausgehen. Aber natürlich haben wir noch das Problem mit dem Endlager und wir haben immer noch die schwachradioaktiven Abfälle, für die wir auch noch keine wirkliche Lösung haben. Ganz zu schweigen von unseren Uran-Fabriken. Eigentlich ein Unding, dass ein Land, das selbst aus dieser Hochrisikotechnologie aussteigt, weiterhin zehn Prozent der Welt mit radioaktivem Brennstoff versorgt.

Gleichzeitig sorgt die EU-Kommission mit der Taxonomie für Furore, dass ausgerechnet Atomenergie in die Liste der „nachhaltigen“ Energieformen, die für Investoren interessant sein dürfte, aufgenommen werden soll. Ist das nicht absurd?

Die eigentliche Taxonomie-Verordnung ist im Dezember 2019 zwischen Rat und Parlament ausgehandelt worden. Man hat sich in der Taxonomie-Verordnung selbst auf bestimmte Kriterien, nach denen eine Tätigkeit als nachhaltig eingestuft werden kann, geeinigt. Dazu gehören sogenannte Umweltziele, wie Klimaschutz, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie etwa Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität, die nicht negativ beeinflusst werden dürfen. Wir waren uns damals aber einig, dass wir als Parlamentarier nicht die entsprechenden nachhaltigen Technologien auflisten. Das sollte eine Expertengruppe nach der Auswertung wissenschaftlicher Studien vorschlagen und die Kommission sollte diese dann in einem sogenannten delegierten Rechtsakt in die Taxonomie aufnehmen. Die Expertengruppe hat sehr lange – auch schon im Vorfeld – daran gearbeitet.

Im Frühjahr 2021 gab es dann einen ersten delegierten Rechtsakt, der beispielsweise die Renaturierung von Feuchtgebieten mit entsprechender Technologie hervorhebt oder eine Recyclingtätigkeit mit einer Wiederverwertung von mindestens 90 Prozent. Hier hatte man aber bewusst Atomkraft und Gas ausgeklammert, da schon während der Verhandlungen zwischen Parlament und Rat keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte. Auch der jetzt vorgelegte zweite delegierte Rechtsakt darf eine Festlegung im Originalgesetz präzisieren und detaillieren, aber er darf sie nicht grundlegend ändern. Wenn jetzt aber die Kommission per delegiertem Rechtsakt sagt: ‚Wir betrachten die Atomenergie als nachhaltig‘, ändert das dann nicht im wesentlichen Maße den primären Rechtsakt? Dann würde die Kommission damit ihre Kompetenzen überschreiten. Und das ist der Hauptgrund, auf den Österreich und Luxemburg ihre Klage stützen wollen.

Was passiert, nachdem die Mitgliedsstaaten ihre Rückmeldung zum Rechtsakt der EU-Kommission gegeben haben?

Die Kommission schaut sich die Rückmeldungen an und ändert den Rechtsakt vielleicht oder auch nicht und veröffentlicht ihn dann offiziell. Danach läuft eine viermonatige Frist, innerhalb der sowohl das EU-Parlament als auch der Rat der Mitgliedsstaaten mit entsprechenden Mehrheiten den delegierten Rechtsakt ablehnen können. Wenn eine mehrheitliche Ablehnung nicht zustande kommt, dann gilt er als in Kraft getreten, bis die Rechtmäßigkeit eben eventuell durch eine Klage vor dem EuGH entschieden wird, wie schon jetzt von Österreich und Luxemburg geplant. Und wenn der Rechtsakt in Kraft tritt, dann privilegiert er Atomenergie und fossiles Erdgas als Übergangstechnologien. Er stellt sie zwar nicht auf die gleiche Stufe wie Erneuerbare Energien, de facto ist es jedoch so, dass zwar auf einem Finanzprodukt beispielsweise stehen muss, dass es Atomenergie oder fossiles Erdgas beinhaltet, aber trotzdem hat es erstmal das Taxonomie-Label.

War die Aufregung um die den Rechtsakt der Kommission absehbar?

Es war absehbar, insofern, dass Frankreich sehr große Probleme hat, seine Reaktorflotte zu modernisieren und, dass das notwendig ist, liegt auf der Hand: Im Moment stehen fünf Blöcke still, weitere zwölf könnten auch noch von dieser Schweißnahtgeschichte betroffen sein, von der noch überhaupt nicht klar ist, ob das überhaupt gelöst werden kann. Darüber hinaus hat der französische Energiekonzern, EDF, enorme Finanzprobleme. EDF ist verschuldet, der französische Strompreis ist staatlich gedeckelt und so verlieren sie gerade jeden Monat Geld. Und dadurch, dass sie ja faktisch der einzige Versorger sind, müssen sie aufgrund der stillstehenden Blöcke auch noch Gas zukaufen. Gleichzeitig hat Frankreich ja auch Atombomben, die in regelmäßigen Abständen erneuert werden müssen, weil Uran eben zerfällt. Frankreich hat also ein industriepolitisches Interesse daran, dass Atomenergie als nachhaltig gekennzeichnet wird, um frisches Geld anzulocken. Insofern war es erwartbar auch hinsichtlich der ehemaligen deutschen Regierung, die ja zum Teil auch in der jetzigen zu finden ist. Der deutschen Regierung war und ist es sehr wichtig, dass Gas als nachhaltig eingestuft wird.

Was sagen Sie zu Gas?

Als Grüne kennen wir die Studien, wir wissen, dass wir Spitzenlastkraftwerke brauchen. Aber das heißt nicht, dass diese in die Taxonomie sollten! Man kann Kraftwerke auch ohne Eingruppierung in nachhaltige Finanzprodukte einbauen – allein schon mit Blick auf die Renditeerwartung. Wenn ich weiß, wir steigen 100 Prozent auf Erneuerbare um, dann wird es Zeiten geben, in denen diese Gaskraftwerke laufen, weil vielleicht weniger Wind und Sonne verfügbar sind und sie auch entsprechend höhere Preise nehmen können.

Ist nur in Deutschland der Aufruhr so groß?

In Österreich ist er groß, in Luxemburg ist er groß. In Frankreich ist er ironischerweise deshalb groß, weil die französische Atomindustrie sagt, die Vorgaben für Atomkraft seien zu streng und es nicht sein könne, dass man die derzeit gültigen Sicherheitsstandards auch bei Laufzeitverlängerungen einhalten müsse. Eigentlich ist die Aufregung in ganz Europa groß. Die zentral- und osteuropäischen Länder empfinden hingegen die Vorgaben für die Gaskraftwerke als zu streng. Begeistert ist, ehrlich gesagt, niemand.

Wie ist die Stimmung im EU-Parlament?

Im Parlament gibt es mittlerweile verschiedene Initiativen unterschiedlicher Fraktionen und Akteur*innen. Es gab beispielsweise einen Brief, in dem eine ganze Reihe von Parlamentarier*innen mit ihrer Unterschrift sagten, die Atomenergie zerstöre die Taxonomie als Finanzinstrument. Ähnlich haben sich die Vorsitzenden des Umweltausschusses und des Wirtschafts- und Währungsausschusses geäußert, die seinerzeit für die parlamentarische Befassung mit der Taxonomie zuständig waren. Ein Brief von den ehemaligen Berichterstattern, die federführend verhandelt hatten, mahnt an, dass der jetzige Rechtsakt überhaupt nicht dem entspräche, was sie sich vorgestellt haben. Es wird also noch eine spannende Debatte. Ich halte es mittlerweile für nicht mehr ausgeschlossen, dass wir die absolute Mehrheit, die wir im Europaparlament brauchen, um diesen Rechtsakt abzulehnen, zusammenbekommen könnten. Sei es, weil es Leute gibt, die dagegen sind, weil es zu lasch ist oder eben Abgeordnete, die sagen, sie sind dagegen, weil es ihnen zu streng ist. In dem Fall stimme ich gern mit ihnen ab.

Wie wird es nun hinsichtlich einer Abstimmung im EU-Parlament und im EU-Rat weitergehen?

Wir werden vermutlich vor der Sommerpause über diesen delegierten Rechtsakt abstimmen, ob die Kommission ihn aufgrund der Rückmeldungen der Regierungen angepasst hat oder nicht. Im Parlament brauchen wir die absolute Mehrheit und im Rat wird die sogenannte verstärkte qualifizierte Mehrheit benötigt: Das heißt, 72 Prozent der Mitgliedsstaaten, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. 20 Mitgliedsstaaten müssten dagegen stimmen. Die sehe ich ehrlicherweise im Moment nicht.

Was würde denn passieren, wenn das EU-Parlament den Rechtsakt ablehnt und der EU-Rat nicht?

Es braucht nur aus einem der beiden Organe eine Ablehnung – das heißt, es würde reichen, wenn das EU-Parlament dagegen stimmt. Dann geht der Rechtsakt wieder zurück an die Kommission und die entscheidet, ob sie etwas Neues verfasst, dem das Parlament zustimmen kann. Die Kommission könnte aber auch gar nichts verfassen.

Gleichzeitig – auch schon vor der Taxonomie-Debatte – kommen auch hierzulande immer wieder die Einwände, man hätte die Atomkraftwerke als Brückentechnologie erhalten müssen, da sie einen angeblich sehr geringen CO2-Ausstoß hat. Was sagen Sie diesen Leuten?

Diesen Leuten sage ich immer, sie führen eine wirklich ahistorische Debatte, wenn sie glauben, man hätte 2011, im Jahr des zweiten Atomausstiegs, öffentlich auch nur in Erwägung ziehen können, alle Kohlekraftwerke abzuschalten. Tatsächlich wäre man schallend ausgelacht worden. Das war das Jahr, als das allererste Mal auf einem Grünen-Parteitag ein Antrag behandelt wurde, der für einen Kohleausstieg ein festes Datum vorgesehen hatte; das Jahr, in dem eine Partei in Deutschland das allererste Mal überhaupt das Wort Kohleausstieg in den Mund genommen hatte. Und ich glaube auch nicht, dass eine erneute Rückkehr zur Atomenergie angesichts der Menschenmassen, die auch nach dem Wiedereinstieg und Fukushima auf die Straße gegangen sind, gesellschaftlich hätte durchgedrückt werden können. Man kann dieses Gedankenexperiment durchführen, aber es ist müßig, weil es nichts mit den damaligen parlamentarischen und gesellschaftlichen Mehrheiten zu tun hat.

Wie gehen wir damit um, dass nach der Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerke direkt hinter der Grenze Atomkraftwerke stehen und dann vielleicht auch noch in dem Zustand, wie die französischen?

Die grenznahen Atomkraftwerke sind ein steter Quell der Freude. Ich wohne selber in der Abluftfahne von Cattenom, wenn das mal hochgehen sollte. Natürlich beschäftigt uns das Thema schon sehr lang. Es gibt sowohl zu Cattenom als auch beispielsweise zu Tihange in Polen Initiativen aus den betroffenen Bundesländern, die versuchen auf diplomatischen Weg Einfluss zu nehmen. Was uns da aber entgegenschlägt, ist der unsägliche EURATOM-Vertrag von 1957. Ziel des Vertrags war es, eine starke europäische Atomindustrie aufzubauen und alles andere hatte sich dem unterzuordnen. Und dann gibt beispielsweise auch noch das Pariser Atomhaftungsübereinkommen mit einem gegenseitigen Haftungsversprechen. Wenn in Frankreich ein Atomkraftwerk havariert – die sind offiziell mit lächerlichen 82 Millionen Euro pro Reaktor versichert – springt der französische Staat ein. Aber, wenn der französische Staat will, kann er Deutschland, Spanien, die Niederlande, Belgien und zum Beispiel auch Schweden anrufen und sagen: ‚Ihr müsst uns unterstützen‘. Dann würde deutsches Steuergeld dafür eingesetzt werden, die durch dieses havarierte Atomkraftwerk entstandenen Schäden zu beseitigen.

Was kann man hier tun?

Das Problem ist, dass zum Beispiel der EURATOM-Vertrag ein zwischenstaatlicher Vertrag ist. Hier haben wir als Europaparlament keinerlei Möglichkeiten, aktiv zu werden. Meine Hoffnung war der Brexit, weil durch diesen einer der Unterzeichnerstaaten des EURATOM-Vertrages, nämlich Großbritannien, selbigen verlassen musste. Ich hatte gehofft, dass die deutsche Ratspräsidentschaft dazu genutzt werden könnte, innerhalb der Mitgliedstaaten eine Debatte darüber anzustoßen, wie man nun weiter mit diesem Vertrag umgeht. Dann kam aber die Pandemie und die Rechtsstaatlichkeitsdebatte mit Ungarn und alle hatten andere Sorgen. Aber die Frage bleibt: Wie gehen wir damit um, dass wir nach dem 31.12.2022 für eine Technologie mithaften, die wir selbst gar nicht mehr betreiben.

Warum wohnen Sie denn noch in der Nähe von Atomkraftwerken?

Ich bin hier 1990 hergezogen, als sämtliche deutsche AKWs noch liefen. Aber wo in Europa könnte man denn hinziehen, dass man garantiert von keinem AKW betroffen ist, vielleicht Island? Je nachdem, wie der Wind steht, „kriegt man es sowieso ab“. Man kann sich fast nur aussuchen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sein sollte, dass etwas passiert. Das gehört zu den Risiken, die man besser verdrängt, da man darauf sehr wenig Einfluss hat. Denn vielleicht zieht man irgendwohin und plötzlich wird im angrenzenden Land, beispielsweise in Polen, ein neues Atomkraftwerk gebaut. Um es kurz zu machen: Umziehen ist für mich keine Option, da engagiere ich mich lieber politisch, damit die Atomkraftwerke schnellstmöglich abgeschaltet werden.

#ErneuerbarStattAtomar

Enger Einsatz bei „Westerwälder Holzpellets“

Vor Beginn des Hebevorgangs muss der Kran zwischen Pelletsilos und Holzstapeln genau positioniert und mit Ballast von einem zweiten Fahrzeug zusätzlich beschwert werden.

Zwar hat das Arbeitsgerät, mit dem Henni Judt auf das Firmengelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gekommen ist, seinerseits bereits ein beachtliches Leergewicht von 62 Tonnen. Doch bevor der eigentliche Hebevorgang startet, mit dem die neue Transformatorenstation an den geplanten Platz gesetzt werden wird, lädt der routinierte Kranfahrer weitere 40 Tonnen Ballast auf das Gefährt.

Beim “Umscheren” wird die benötigte Anzahl an. Hubseilsträngen vorbereitet. Jeder Strang könne zehn Tonnen tragen, erläutert Henni Judt.

Fast 30 Jahre lang ist Judt als Fahrer von Autokränen aktiv. Das bullige grün-rote Exemplar, das er früh um sieben zum Westerwälder Energieversorger gesteuert hat, ist seinerseits als Schwertransport mit einer Ausnahmegenehmigung unterwegs gewesen. Denn das Fahrzeug ist ein überbreiter und eben schwerer 250-Tonner: Dieser kann im eingefahrenen Zustand am Grundmast am Fahrzeug theoretisch 250 Tonnen schwere Lasten heben. „Mit jedem Meter, den ich den Mast weiter rauslege, wird das natürlich weniger“, erklärt Judt.

Angefangen habe alles einmal „ganz, ganz klein“, schüttelt Henni Judt den Kopf auf die Frage, ob er während seiner gesamten beruflichen Laufbahn so große Kräne bewegt habe. „Wenn mir vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, dass ich heute einen 250-Tonner fahre, hätte ich es nie geglaubt!“

Drei Meter breit ist das für die Trafostation bei den WWP und „MANN Energie“ benötigte Fahrzeug, während Lkw sonst knapp 2,50 messen. Mit dieser Überbreite ist für die Fahrt zum Einsatzort eine „Wegstreckengenehmigung“ erforderlich, in der jede Straße, die Henni Judt nutzen will, aufgeführt sein muss. Allerdings: Die Genehmigungsvoraussetzungen seien im föderalistischen Deutschland einmal mehr von Bundesland zu Bundesland verschieden. So musste Judt sich vom Firmensitz in Burbach bis zu Landesgrenze von Rheinland-Pfalz am „Siegerlandflughafen“ durch ein Begleitfahrzeug absichern lassen; den Rest der Wegstrecke aufs WWP-Firmengelände durfte er ohne zurücklegen. „Da muss man ebenfalls stets genau hinschauen: Was darf ich wo, wo darf ich herfahren?“

Der Kran-Motor leistet knapp 600 PS und bewegt den „Unterwagen“ wie den „Oberwagen“, sprich: Mit ihm fährt der Kran, und ebenso ist das Aggregat der Antrieb beim Heben. „Die 600 PS brauche ich eigentlich hauptsächlich, um die 62 Tonnen Eigengewicht auf der Straße zu bewegen. Der Oberwagen käme mit wesentlich weniger aus“, berichtet Henni Judt, „aber dank der heutigen Elektronik läuft der Motor, wenn er den Oberwagen antreibt, in einem Sparmodus und verbraucht dabei längst nicht so viel Diesel, wie bei der Fahrt auf der Straße.“

Der Einsatz bei den WWP sei durchaus etwas enger gewesen von den räumlichen Verhältnissen, urteilt der Erfahrene: Beim Drehen musste die Trafostation sanft über Holzstapel und eine sie stützende Mauer hinweg gehoben werden. Zugleich stand der Kran begrenzt zwischen Holzstämmen auf der einen und dem WWP-Kraftwerk auf der anderen Seite. „Darum konnten wir nur rechtsherum drehen, obwohl der Weg damit etwas weiter war. Für eine Drehung nach links war allerdings nicht genug Raum. Das muss man schon alles berücksichtigen“, betont Kranfahrer Judt. „Der Ballast zum Beispiel schwenkt 1,10 Meter über die Stützen hinweg. Das muss man beim Aufbauen einplanen, damit man hinterher, wenn gehoben wird, nicht plötzlich feststellt, dass zu wenig Platz ist.“

Viele andere Details wie etwa die Beurteilung, ob unter die Stützen zusätzliche „Baggermatten“ gelegt werden müssten, seien zu beachten. „Der Stützdruck erhöht sich, je weiter ich auslege“, so Judt. „Aber da sind wir hier heute mit einem geringen Risiko gefahren, weil die Stützen nicht sehr weit raus waren. Es hat sich auch nichts verformt am Boden“, urteilt der Fachmann nach getaner Arbeit zufrieden.

Das Rezept, um den Hebevorgang mit dem schweren Transformator am Ende auf den Zentimeter genau hinzubekommen, sei eben wirklich, sich alles genau anzugucken, wenn man ankomme, unterstreicht Henni Judt nochmals. „Wenn es nicht klappt, muss man nämlich zeitintensiv ganz zurück- und umbauen. Unser Außendienst-Kollege war ebenfalls hier und hat sich sämtliches angesehen – aber ich kontrolliere zu Beginn noch einmal für mich, ob er alles bedacht hat. Denn vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei.“

So sei das Fahrzeug, das den Trafo von der Firma Scheidt abgeholt und des Nachts nach Langenbach gebracht hat, sehr lang gewesen, „mit sechs Metern Überhang. Darum haben wir vor Beginn der Arbeiten die Lage hier noch einmal verändert, den Transporter näher herangesetzt. Denn viel weiter als elf Meter hätte man den Kran bei dem Gewicht, das mit dem Trafo angehängt wurde, nicht auslegen können!“

Komplett ausgefahren, wird der Mast des Krans 70 Meter lang. “Dann allerdings könne man noch einen Eimer Wasser dranhängen”, scherzt Kranfahrer Henni Judt.

Selbstverständlich wird das beeindruckende Arbeitsgerät der Firma Dornseiff heute komplett elektronisch per Joystick gesteuert. Und die Technik unterstützt den Kranfahrer vielfältig: Der „Rüstzustand“, die Position, in der gearbeitet wird, wird vorab in einen Bordcomputer eingegeben. „Darauf sehe ich genau, was ich wohin fahren kann, und ebenso regelt die Technik den Grenzbereich ab“, beschreibt Judt die Vorzüge. Eine Ampel über dem Kranführerhaus zeigt grünes Licht, solange die Werte im unkritischen Bereich liegen und würde „gelb“ warnen, wenn es in Richtung der Maxima ginge. „Bei 99 Prozent Auslastung geht die Ampel auf ‚rot‘ – und dann ist auch Ende“, stellt Henni Judt heraus. Während des gesamten Hebevorgangs bei den WWP zeigt die Ampel dank guter Vorbereitung durchgängig „grün“, bis der Trafo an seinem Bestimmungsort aus den großen acht Hacken ausgehängt wird, mit denen der Kran ihn über Holzstapel hinweg gedreht hatte.

Ohnehin: Der Einsatzort bei den WWP sehe „ganz unscheinbar“ aus. „Doch wir stehen hier an einer Schräge mit dem Trafo-Transporter. Das ist immer wieder einer Herausforderung, da die Last dann ja nicht gerade hochgehoben wird, sondern erst am einen Ende. Der Kran biegt sich auch dabei, durch die Biegung verändert sich wiederum die Länge des Krans. Das muss ich ebenfalls im Augen behalten und habe dafür die entsprechenden Anzeigen.“ Bis zu unglaubliche zwei Metern könne die Biegung bei einem langen Mast ausmachen.

Der Reiz an diesem Beruf sei für ihn, sagt Henni Judt vor der Abfahrt zum Rückweg zufrieden, dass man „überall“ unterwegs sei – „vom Pelletwerk bis zur Windkraftanlage. Alles, was schwer ist und gehoben werden muss“, zwinkert der sympathische Kranfahrer. Und in diesem Fall der Energiewende nützt.

Roger Lenser

53 Tonnen Last – für die Energiewende

Passt auf den Zentimeter! Die neue „Betonstation“, die einen Transformator für „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und „MANN Naturenergie“ beherbergt, steht jetzt wirklich exakt innerhalb von auf den Boden gesprühten Markierungen. Das klingt zunächst zwar gar nicht so spektakulär – doch das Gebäude wiegt über 50 Tonnen und ist als Ganzes an seinen Standort bugsiert worden! Vorausgegangen ist an diesem nasskalten Morgen lange vor dem Sonnenaufgang begonnene, mehrstündige Präzisionsarbeit, für die unter anderem ein 250-Tonnen-Kran zum Einsatz gekommen ist. Außerdem wurden wochenlang komplizierte Bohrungen vorgenommen, etliche Leerrohre verlegt und kilometerweise Kabel gezogen – um die Energiewende einmal mehr ein großes Stück voranzubringen.

Gut drei Meter breit, über neun Meter lang, 3,71 Meter hoch – und vor allem satte 53,4 Tonnen schwer: Das Aufstellen einer derart dimensionierten Transformatorenstation erfordert eine detailreiche Planung und Koordination der beteiligten Unternehmen. Und einen besonderen Schwertransporter nebst geschicktem Fahrer, der das Bauwerk aus Rinteln nach Langenbach bringen konnte. Dort im Weserbergland, hat die Firma Scheidt ihren Stammsitz – und das Trafohaus für die Westerwälder Energieversorger komplett zusammengebaut, so dass es nach dem Aufstellen „nur“ noch an das firmeneigenen Stromnetz angeschlossen werden muss.

Der Fahrer bekommt Kommandos vom Ende des fast 28 Meter langen Transporters.

Der Schwertransporter hat sein Ziel, das MANN-Firmengelände in Langenbach, lange vor dem Aufstehen der Menschen im Ort erreicht; abgesichert durch ein Begleitfahrzeug, mit Sondergeneh- migung sowie der Auflage, bis sechs Uhr die öffentlichen Straßen verlassen zu haben, um den einsetzenden Berufsverkehrs nicht zu behindern. Denn das auffällige Gefährt misst mit dem Trafo im Gepäck 27,75 Meter – und ist damit nicht nur sehr schwer, sondern ebenfalls ausgesprochen lang.

Dennoch hat der Fahrer das „Ungetüm“ zentimetergenau – im Rückwärtsgang! – mit nur einem Anlauf zwischen Rundholzstapeln, Zerhacker des SEO-Sägewerkes der WWP und Hackschnitzelhaufen hindurch bugsiert und genau vor dem bereitstehenden Autokran abgestellt.

Zweieinhalb Stunden werden am Ende vergangenen sein, wenn der Kran „gerüstet“ und genau positioniert, die tonnenschwere Last anschließend gehoben und präzise am vorgesehenen Platz abgesetzt ist. Um 9.36 Uhr ist es soweit: Der neue Transformator steht sicher. Doch wozu der ganze Aufwand?

Um zu verstehen, warum die neue Investition der MANN-Gruppe eine Reihe Vorteile bringt und ein wichtiger Baustein ist, der auch zukünftig die Produktion der WWP mit selbsterzeugtem Grünstrom versorgt, die Gebäude von „MANN Naturenergie“ erleuchtet oder die Autos der Mitarbeiter während der Arbeitszeit lädt (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), empfiehlt sich ein kleiner Exkurs in die zugrundeliegende Technik. Zwei elektrische Spannungen sind dabei wichtig: einmal 400 Volt „Niederspannung“ und daneben eine „Mittelspannung“ von 20.000 Volt oder 20 kV. Auf diese beiden Werte kann die Trafostation den Strom herauf- oder eben heruntertransformieren.

Auf die Leerrohre sollen hinterher alle Anschlüsse im Trafohaus passen.

Der MANN-Windpark oberhalb des Ortes Langenbach liefert seine Energie mit einer Spannung von besagten 20 kV. Bislang war er ans Langenbacher Ortsnetz angebunden, das ebenfalls im 20-kV-Bereich funktioniert. Der von den „Windmühlen“ erzeugte Strom war auch zuvor schon „öko“, ging indes direkt ins öffentlich Netz. Mit einer zusätzlichen Kabelverbindung vom Standort der Windenergieanlagen zum neuen Trafo kann der „Windstrom“ – ebenso wie der im WWP-Kraftwerk erzeugte Ökostrom – unmittelbar in Langenbach genutzt werden, um zum Beispiel die CO2-armen Holzpellets zu pressen.

Windräder und Trafo sind genauso mit 20-kV-Leitungen verbunden wie der neue Trafo mit dem WWP-Kraftwerk oder dem aus 112 „second-life“-Batterien aufgebauten Großspeicher auf dem Firmengelände. Das, erklärt Florian Höfer, habe etliche positive Effekte: „Ich habe erheblich weniger Energieverluste bei 20 kV als bei der Niederspannung, da bei gleicher Leistung weniger Strom im Kabel fließt. Weniger Strom führt zu geringerer Reibung im Kabel, weniger Wärme und damit wesentlich geringeren Energieeinbußen“, stellt der gelernte Elektroniker für Betriebselektrik, der sich bei „Mann Naturenergie“ um alle Anlagenprogrammierungen kümmert, einen den ökologischen Gedanken stärkenden Aspekt heraus.

180 Meter des Kabelwegs vom Windpark zum Trafo mussten per “Spühlbohrung” unter dem WWP-Rundholzplatz hindurch durchgeführt werden.

Zudem wären die Kosten der rund 1,9 Kilometer langen Kabelverbindung vom Windpark zum Trafo (die übrigens eine Weiternutzung und Einbindung der ersten Windkraftanlage ermöglicht, die Markus Mann schon 1991 oberhalb des Firmensitzes unter dem Gespött einiger Menschen aufstellte und die heute noch immer volle Leistung bringt) um einen sechsstelligen Betrag höher gewesen, wäre der Windpark anstelle per Mittel- mit Niederspannung angebunden worden. Abgesehen davon, so Höfer, seien die nunmehr benötigten Kabel nur wenige Zentimeter dick. Andernfalls hätten sie jedoch kanalrohrgroße Dimensionen haben müssen. „Es wären logischerweise ebenso mega große Kabelschächte erforderlich gewesen“, erläutert Florin Höfer.

Wenn alle Maßnahmen abgeschlossen sind, werden Windpark, Großspeicher, Kraftwerk, der Anschluss ans öffentliche Stromnetz, das MANN-Firmenarealnetz und eben die Trafostation über deren integrierte „Mittelspannungsschaltanlage“ auf 20 kV-Basis miteinander verbunden sein, wie der Fachmann weiter ausführt. Daneben regelt der Trafo für entsprechende Verbraucher die Spannung von 20 kV auf 400 Volt herunter. Denn mit dieser „Niederspannung“ arbeiten wiederum sämtliche Maschinen wie die SEO-Sägeanlage oder die Absackanlage der „Westerwälder Holzpellets“ ebenso wie die Pelletpressen.

Sehr, sehr langsam lässt der Kran den Trafo auf seinen Standort sinken, wo er genau auf vorinstallierte Anschlüsse passen muss.

Die zugehörige neue „Niederspannungshauptverteilung“ in der Trafostation löst außerdem eine bisher im Kraftwerk der Langenbacher Energieversorger untergebrachte ab. Deren Maximalleistung von 3.200 Ampere übertrifft die Hauptverteilung in der jetzigen Station mit 8.000 Ampere deutlichst. „Wir haben dann in der alten und neuen Hauptverteilung erheblich mehr Reserven und wesentlich größere Betriebssicherheit“, hebt Florian Höfer hervor. Es sei schon vorgekommen, das eine Pelletpresse beim Anlaufen blockierte: „Dann flog der Hauptschalter raus, und es war in der Vergangenheit erst einmal alles ‚tot‘.“ Das sei nun ausgeschlossen.

Dietmar Grosser, Bauleiter Montage bei der Firma Scheidt, ist zufrieden: Die “Betonstation” steht exakt in der Waage.

Die jetzige Installation bringe zusätzliche Sicherheit: Eine 400-Volt-Versorgung sei sehr träge – während mit dem 20 kV-Netz innerhalb von Millisekunden MANN und WWP vom öffentlich Stromanschluss getrennt werden können und der Batterie-Großspeicher – in dem sonst „überschüssiger“ Ökostrom aus dem Biomasse-Heizkraftwerk, dem Windpark oder den Photovoltaik-Flächen bei den WWP bis zu seiner Verwendung „geparkt“ wird – kann über einen „Koppelschalter“ unterbrechungsfrei die gesamte Last des Unternehmens übernehmen. „Und das würde hier in der Firma niemand mitbekommen“, schildert Florian Höfer den weiteren Vorteil der neuen Technik.

Am Windpark oberhalb von Langenbach “verschwindet” das Kabel in der Erde, das über fast zwei Kilometer zum neuen Trafo führt und die Windenergie so ins Netz bei den WWP einbindet. Foto: Schmalenbach

Die ganzen Arbeiten berücksichtigen daneben bereits heute die Option, das Firmenarealnetz eines Tages erweitern zu müssen– beispielsweise, falls noch weitere Gebäude wie Hallen hinzukommen oder zusätzliche Maschinen aufgrund des in der Energiewende logischerweise weiter steigenden Bedarfs an umweltfreundlichen Holzpellets in Dienst gestellt werden müssen.

So ist, wenn man diese Hintergründe kennt, dann doch verständlich, warum man den großen Aufwand betrieben hat, den Trafo, die 53 Tonnen schwere Last so präzise am Aufstellort abzusetzen: Damit wird die vollständige Einbindung des Batterie-Großspeichers ins Firmenarealnetz realisiert, eine neue Schnittstelle zum öffentlichen Stromnetz geschaffen und der Langenbacher Windpark ebenso ins Firmennetz eingebunden. Das alles unter dem Aspekt der Energieoptimierung. Und dieser, sagt Florian Höfer nachdenklich, habe man sich als Lieferant ökologisch sinnvoller Energiearten wie Grünstrom und Holzpellets schließlich verschrieben.

Uwe Schmalenbach

MANN einer von sieben führenden Anbietern

Der “Ökostrom Test 2022” ist auf einer Unterseite von “RTL News” plaziert worden.

RTL kennen viele wohl vor allem vom, zuweilen umstrittenen, „linearen Fernsehprogramm“. „Bauer sucht Frau“, „Der Bachelor“, „Deutschland sucht den Superstar“: Solche Formate dominieren heute bei dem Kölner Privatsender. Doch daneben gibt es unter der Dachmarke „rtl.de“ ein breites Angebot an Online-Inhalten. Vielfach haben die – natürlich – die Funktion, das freiempfangbare wie (inzwischen ebenfalls abonnierbare) kostenpflichtige Programm der Fernsehmacher vom Rhein zu bewerben. Allerdings: Auf etlichen Unterseiten von rtl.de sind Texte des Verbraucherportals „expertentes-ten.de“ auffindbar – und dort taucht seit neuestem sogar der Grünstrom von „MANN Naturenergie“ auf!

Erfreulicherweise geht die Seite auch auf Anbieter ein, die ihren Strom lediglich mit Hilfe von Zertifikaten “grünwaschen”.

„Immer mehr Verbraucher entscheiden sich aufgrund steigenden Umweltbewusstseins für einen Ökostrom-Tarif. Aktuell beziehen in Deutschland bereits etwa elf Millionen Haushalte Strom aus erneuerbaren Energien, und dieser Anteil wird in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen. Die Suche nach einem günstigen Tarif für Ökostrom wird daher für viele Stromkunden immer wichtiger, daher präsentiert Ihnen das Team von Expertentesten interessante Fakten rund um den Test und Vergleich von Ökostrom-Tarifen“: Mit diesem „Vorspann“ leitet die Redaktion von „expertentesten.de“ ihren Artikel „Ökostrom Test 2022 • Die besten Ökostrom Anbieter im Vergleich“ ein. Und man muss sagen: Die dann folgenden 13 Kapitel sind gar keine so schlechte Grundlage für Menschen, die sich zu dem Thema informieren wollen.

„Wie arbeiten Ökostrom Anbieter?“ „Beteiligung an Kohle- und/oder Atomkraftwerken?“ „Wann zahlt sich der Wechsel zu Ökostrom aus?“ Solche und andere Themen greifen die Experten von „expertentesten.de“ auf. Laut Selbstdarstellung erfolge das – wie bei allen anderen Tests des Portals, die thematisch von Küchengeräten bis zu Nahrungsergänzungsmitteln reichen – stets unbeeinflusst und transparent: „Gemäß journalistischen Grundsätzen arbeiten wir unabhängig und bevorzugen keine Marke oder Firma.“

Unter rund 8.000 hat der Test auf der RTL-Seite die sieben besten Ökostom-Anbieter aufgelistet – “MANN Naturenergie” zählt demnach dazu.

Hinter dem Online-Angebot steckt die Firma „ever-growing GmbH“, die ihren Sitz in Burghausen im Landkreis Altötting hat. Gerne hätte die Redaktion der „Wäller Energiezeitung“ mit einem Vertreter von „ever-growing“ beziehungsweise „expertentesten.de“ ein ergänzendes Hintergrundgespräch etwa zur Frage, wie viele Nutzer das Portal hat oder welche Themen besonders häufig aufgerufen werden, geführt. Doch bis zum Redaktionsschluss konnten wir dazu keinen Ansprechpartner erreichen; „aufgrund eines gravierenden Personalengpasses“ könne der „Wäller Energiezeitung“ niemand zur Verfügung stehen, teilt Benjamin Schardt, Geschäftsführer von „ever-growing“, auf Anfrage schriftlich mit.

Wie auch immer: Beim Stromvergleich, der auf der RTL-Seite abrufbar ist, scheinen die Macher ordentlich gearbeitet zu haben. Für viele Aussagen haben sie seriöse Quellen wie den Bundesverband Erneuerbare Energie, die „Stiftung Warentest“ oder „Ökotest“ beigebracht. Es wird nicht verschwiegen, dass es auf dem Energie-Markt nicht nur „sauber“ zugeht, Stichwörter wie „Greenwashing“ werden beleuchtet, und für den Verbraucher werden Empfehlungen gegeben, wie er vor Abschluss eines Vertrages echten (also physikalisch-gekoppelten) Grünstrom identifizieren kann und vieles mehr.

Und dann folgt eine Übersicht, welche empfehlenswerten Stromtarife „expertentesten.de“ ausgemacht hat: „Für viele Verbraucher ist es wichtig, dass der Bezug von Ökostrom einen wirklich nachhaltigen Nutzen bringt. Wenn Sie sich für einen Ökostrom-Tarif eines großen Stromkonzerns entscheiden, ist dies in der Regel nicht gegeben, da Sie mit der Zahlung Ihrer Stromkosten ungewollt Atom- und/oder Kohlekraftwerke mitfinanzieren“, heißt es da. Und weiter: „Bei der Suche nach den besten Ökostrom-Anbietern hat sich das Team von Expertentesten daher ausschließlich auf Anbieter konzentriert, die keine Atom- und/oder Kohlekraftwerke betreiben und somit als reine Naturstrom-Versorger gelten.“

Sieben „führende Ökostrom-Anbieter“ umfasst die tabellarische Übersicht, die das Team der Website aufgestellt hat – wahrlich nicht viele, wenn man bedenkt, dass „expertentesten.de“ an anderer Stelle von „rund 8.000 unterschiedlichen Naturstrom-Tarifen“ spricht, die es derzeit in Deutschland gebe! Neben den „EWS Elektrizitätswerken Schönau“ oder „Greenpeace Energy“ gehört laut „expertentesten.de“ auch „MANN Naturenergie“ zu diesen besten sieben!

Diese Bewertung spricht wohl unstreitig für die Arbeitsweise und Philosophie des Stromanbieters aus Langenbach bei Kirburg. Gleichwohl ist die Erkenntnis nicht neu: Für ihren Grünstrom „MANN Cent“ haben die Westerwälder schon seit 2013 mehrfach das „Ökotest“-Label erhalten. Das vom Verein „Grüner Strom Label“ vergebene Gütesiegel für „grüne“ Energieprodukte trägt Strom von MANN gar schon so lange es das Unternehmen gibt, von der ersten Kilowattstunde an.

Die Not vieler Energieverbraucher ist groß

Unser alltäglicher “Stromhunger” wächst durch immer mehr Geräte.
Foto: Krups

Tausende Stromnutzer in Deutschland wurden mit einem großen Problem konfrontiert: Ihnen ist plötzlich der laufende Stromvertrag gekündigt worden. Auch bei MANN Naturenergie haben sich betroffene Verbraucher gemeldet, die dringend einen neuen Anbieter brauchen. Was ist da los? „Was wir jetzt seit September neu beobachten, sind ,sehr kreative‘ Möglichkeiten, um sich Kunden zu entledigen, mit denen man keinen Gewinn macht“, kritisiert Louis-F. Stahl, Chefredakteur der „Energiedepesche“ und Vorstandsmitglied im Bund der Energieverbraucher.

Louis-F. Stahl ist Vorstandsmitglied im Bund der Energieverbraucher.
Foto: Energiedepesche

Die Methoden seien in den allermeisten Fällen nicht zulässig, betont Stahl. Unberechtigte Kündigungen ohne Einhaltung einer Frist zum Beispiel. „Die Verbraucher fallen dann bestenfalls in die Grundversorgung, die aber natürlich besonders teuer ist. Und weil bekannt ist, dass so Schadenersatzforderungen entstehen können, haben einige Energieversorger einen interessanten Trick angewendet: Sie haben den Bilanzkreis mit den Verteilnetzbetreibern gekündigt. Damit haben sie keine Möglichkeit mehr, die Energie durch das Verteilnetz zum Kunden zu ,bringen‘ und berufen sich auf die Unmöglichkeit der Belieferung.“

Es gebe zudem Anbieter, die einfach die Abschlagszahlung verdreifachten, um sich Liquidität zur Vermeidung einer Insolvenz zu verschaffen. „Es geht also um drei Aspekte: unberechtigte Kündi- gungen, künstliche Herbeiführung der Unmöglichkeit über Bilanzkreisauflösung und unberechtigte Erhöhung der Abschlagszahlungen“, fasst der Experte zusammen.

Für den Kunden ergeben sich dadurch oftmals noch weitere Probleme. So weigerten sich etwa manche Grundversorger – in der Regel der Anbieter, der vor Ort die meisten Haushalte versorgt –, betroffene Verbraucher aufzunehmen. Bei der Ersatzversorgung, die als letzte Möglichkeit greift, muss das Grundversorgungsunternehmen in jedem Fall liefern. Doch auch bei dieser Leistung verweigern sich viele Anbieter. Während der Energieversorger jedoch die Grundversorgung ablehnen darf, wenn dies wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ist die Weigerung, Ersatzversorgung zu gewährleisten, nicht zulässig, gibt Stahl zu bedenken. Dadurch komme es natürlich oft zu „juristischen Scherereien“. Dies sind jedoch nicht die einzigen Benachteiligungen. „Es gibt auch Grundversorger, die zwei Tarife machen: einen für die Bestandskunden mit günstigen Konditionen und einen für die Neukunden – mit exorbitant hohen Preisen.“

Die Energiewende sei verschlafen worden, bemängelt Stahl: “Wir haben zum Beispiel begonnen, Offshore-Windparks zu bauen – und dann einfach nicht weitergemacht”
Foto: Damm/Pixelio

Grund für die Massenkündigungen seien vor allem gestiegene Einkaufspreise an den Energiemärkten. „Das ist für Beteiligte schwer nachzuvollziehen, weil es nicht den einen Auslöser gibt, sondern eine Vielzahl an Punkten, die zusammentreffen und zu einer Preisexplosion geführt haben“, erläutert Louis-F. Stahl. Doch die rasant erhöhten Marktpreise – insbesondere jene für die kurzfristige Beschaffung – führten eben bei vielen Energieunternehmen zu zwei klassischen Reaktionen: Preiserhöhungen und Kündigungen.

Auch an MANN haben sich viele Betroffene hilfesuchend gewendet, darunter nicht wenige, die zuvor Kohle- und Atomstrom bezogen haben. Generell sei das Interesse an „grüner Energie“ in der Bevölkerung inzwischen stark verbreitet, ist Stahls Eindruck. Ebenso bemerke er, dass sich die Menschen über „Greenwashing“ immer bewusster würden. So können sich Energieversorger zum Beispiel „Herkunftsnachweise“ ganz einfach im In- und Ausland kaufen und so ihr Produkt – auch Atom- und Kohlestrom – als „Ökostrom“ labeln. Die Verbraucher schauten mittlerweile aber viel genauer hin, wendet Stahl ein: „Sie erkennen, dass solche Ökotarife gar nichts bringen und die Energiewende nicht voranbringen.“

Doch was können Verbraucher, die einen neuen Anbieter suchen, überhaupt tun, um zu erkennen, ob ein Ökoanbieter wirklich ein seriöses Produkt vertreibt? „Beim Bund der Energieverbraucher empfehlen wir, sich den Versorger genau anzuschauen. Denn das allgemeine Handeln dieses Unternehmens kann starken Einfluss darauf haben, wie viel erneuerbarer Strom erzeugt wird“, betont Stahl. „Es gibt Energieversorger, die selbst grüne Kraftwerke bauen, also zum Beispiel Biomasse- oder Photovoltaikanlagen oder auch Windkraftanlagen, und die so für einen Teil ihrer Verbraucher den Strom selbst erzeugen beziehungsweise mit dem faktischen Bau grüner Erzeugungsanlagen für die Verdrängung von Atom- und Kohlestrom sorgen.“ So wie es bei MANN ist: Angefangen vom Biomasseheizkraftwerk der zur MANN-Firmengruppe gehörenden „Westerwälder Holzpellets“, in dem tagtäglich Grünschnitt verfeuert wird, über den Einsatz für ältere Windkraftanlagen (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), bis hin zu den elektrisch betriebenen Firmenwagen – die natürlich auf dem MANN-Gelände mit eigenem, hundertprozentigem Ökostrom geladen werden.

Das „grüne Gewissen“, hebt Stahl hervor, sollte allerdings nicht allein durch einen Ökostromanbieter beruhigt werden. „Man muss selbst das Zepter in die Hand nehmen, sich etwa an einem Bürgerwindpark beteiligen, eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen lassen und vielleicht die fossile Heizung rauswerfen, gegebenenfalls, wenn der neue Autokauf ansteht, nicht mehr auf ein Verbrennungsfahrzeug setzen. Da haben Menschen wirklich die Möglichkeit, durch taktisches Handeln die Welt zu verbessern.“

Erhöhte Nachfrage nach fossilen Energieträgern im ersten Halbjahr 2021 gegenüber dem Vorjahr.
Grafik: Energiedepesche

Und dies ist dringend nötig. Denn in der aktuellen Situation zeigt sich nicht zuletzt, dass Deutschland mit dem Ausbau regenerativer Energiequellen noch immer nicht schnell genug vorankommt. Stahl bemängelt, dass die Energiewende von der Politik regelrecht „abgewürgt“ wurde, zunächst die Förderung der Solarenergie und zuletzt auch die Windkraft. „Hätten wir diese Erzeugungsleistung aus Wind und Sonne jetzt zur Verfügung, könnte man sich auch über Stromspeicherung Gedanken machen“, wirft er ein. Der Fachmann geht davon aus, dass uns der mangelnde Ausbau der erneuerbaren Energien sowohl finanziell als auch in Hinblick auf die Energiewende und das Erreichen der Klimaschutzziele „komplett auf die Füße fallen“ wird. Es müsse daher ein großes Umdenken stattfinden.

„Es liegt an der jetzigen Regierung, die Versäumnisse aufzuholen. Und wir werden doppelt so schnell arbeiten müssen.“ Der Ausbau regenerativer Energien habe nur Vorteile. Dies könne man sogar in Hinblick auf Situationen wie die aktuelle Not in der Energiewirtschaft erkennen. Denn die Energiewende sorge nicht zuletzt für eine Umstrukturierung von einer zentralisierten zu einer dezentralisierten Stromwirtschaft mit vielen kleinen Erzeugern – „die dann auch resilient auf Herausforderungen reagieren können.“

Andra de Wit

Eine fahrbare „Insellösung“ für Grünstrom

Florian Höfer bringt den Anhänger, mit dem Solarstrom “mobil” gewonnen werden kann. Fotos: Schmalenbach

Florian Höfer zieht mit seinem neuen elektrischen Firmenwagen (siehe Seite 2) einen Anhänger über den Hof vor dem MANN-Verwaltungsgebäude. Der „Nachläufer“ sieht auf den ersten Blick nach einem üblichen Kastenanhänger aus – wären da nicht Solarpanels an mehreren Seiten.

Ruben Ermert hatte im zurückliegenden September damit begonnen, sich mit dem „Azubi-Projekt“, wie sein Chef Markus Mann das Vorhaben augenzwinkernd gerne nennt, zu befassen. „Natürlich seither nicht durchgängig die ganze Zeit, sondern immer mal wieder“, schmunzelt der Mitarbeiter der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP). „Dem Markus (Anm. d. Red.: Gemeint ist WWP-Chef Markus Mann) ging es generell auf die Nerven, dass auf irgendwelchen Wald-Partys oder Festen für die Stromversorgung irgendwelche rappelnden Diesel-Aggregate laufen. Es stinkt, es pustet Abgase in die Umwelt!“

Stattdessen könnte zukünftig das „Mobile Sonnenaggregat“, das Ruben Ermert inzwischen vorführen kann, Öko-Strom produzieren – und über eine besondere Batterie im Inneren auch speichern.

Mit wenigen Handgriffen werden die Solarzellen ausgeklappt…

Florian Höfer hat den Anhänger abgekuppelt, und Ruben Ermert bringt an dessen beiden Längsseiten klappbare Solarpanels in Position. Die Module werden in einem 45-Grad-Winkel zum Anhänger ausgeklappt, so dass die Solarzellen nicht allein zur Mittagszeit eine nennenswerte Leistung produzieren, sondern den ganzen Tag „die Sonne ordentlich drüberlaufen kann“, wie Ermert das bodenständig formuliert. „So gibt es relativ lange eine schöne Leistung.“ Die liegt in der Spitze („Peak“) bei immerhin 4.000 Watt.

… und stehen dann in einem günstigen 24-Grad-Winkel.

Doch anders als bei einem herkömmlichen und CO2 emittierenden Diesel-Aggregat steht diese Energie nicht nur zur sofortigen Nutzung bereit: Im Innern des Anhängers hat Ruben Ermert ein großes Speichersystem eingebaut. 9,75 Kilowattstunden kWh) beträgt dessen Kapazität. Das ist genug Energie, um zum Beispiel eine moderne LED-Straßenleuchte weit über ein Jahr Tag und Nacht durchgängig leuchten zu lassen, selbst wenn kein neuer Solarstrom mehr eingespeist würde!

Modellhaft stellt das „Mobile Sonnenaggregat“ quasi ein „kleines Haus“ dar, das mit einer Photovoltaik-Anlage und einer Speicherlösung ausgerüstet ist. Außen gibt es sogar eine Wallbox zum Laden von E-Autos. Das Aggregat diene daher neben dem praktischen Nutzen als Ersatz für umweltschädliche Diesel-Geräte zugleich zum Ausprobieren, wie man mit einer solchen Speicherlösung insgesamt umgeht: „Für uns ist das ‚Mobile Sonnenaggregat‘ sehr gut zum Lernen geeignet“, nickt Ermert. Zudem könne man so Kunden zeigen, was heutige Speicherlösungen bringen – im Prinzip auch in jedem Wohngebäude, in dem etwa selbsterzeugter Öko-Strom aus einer Photovoltaikanlage bis zu seiner Nutzung „geparkt“ werden soll.

Ein 9-kW-Wechselrichter ist im Anhänger bereits verbaut, an einem freien Steckplatz daneben könnte ein zweiter eingesetzt werden, so dass der Speicher in der Lage ist, bis zu 18 kW Leistung aus Photovoltaik weiterzugeben! Damit lassen sich selbst mehrere „stromhungrige“ Haushaltsgeräte wie etwa ein Kaffeevollautomat, eine Spülmaschine und ein Backofen zugleich betreiben.

“Ich habe beim Projekt viel Hilfe von anderen hier bei uns bekommen”, freut sich Ruben Ermert, während er die Speicherlösung im Anhänger erklärt.

Eine weitere Besonderheit des von ihm betreuten Projekts ist laut Ruben Ermert auch die Eignung als „Insellösung“, die für private Anwender wie Gewerbebetriebe sehr interessant sein könnte: „Wir haben hier einen so genannten ‚schwarzstartfähigen Inselbetrieb‘. Das bedeutet, dass ich dieses System ohne eine Energiezufuhr von außen und komplett unabhängig von einem Stromnetz, das die entsprechenden Werte für die Spannung und die Frequenz liefert, starten kann. Ich kann den Anhänger also im wahrsten Sinne des Wortes auf die grüne Wiese fahren und, so sagt man, ‚aus dem Schwarzen‘ hochfahren.“

Selbst, wenn das Stromnetz etwa des örtlichen Energieversorgers einmal unerwartet „down“ ist, kann der Speicher, der beim „Azubi-Projekt“ verwendet wird, jederzeit angeschlossene Geräte mit Strom versorgen – und bietet damit eine hohe Ausfallsicherheit. „Bei ‚normalen‘ Speicherlösungen, die diese Fähigkeit als schwarzstartfähige Insellösung nicht aufweisen, wird das System nicht vom Netz getrennt. Kommt es dann zu einem Stromausfall im Netz, dann ist das ‚Backup‘ über den Akku, obwohl er geladen ist, ebenfalls weg“, erläutert Ruben Ermert noch einmal. Grund sei, dass der Wechselrichter des Akkus, der aus dem „eingelagerten“ Gleichstrom dreiphasigen Wechselstrom mache, in bisherigen Speicherlösungen die Frequenz des öffentlichen Stromnetzes brauche, um zu arbeiten. „Dieses Gerät hier kann hingegen selbst die benötigte Spannung einstellen und ebenfalls die für den bei uns üblichen Wechselstrom erforderliche Sinuswelle selbst generieren. Darum braucht es kein Netz, um zu funktionieren.“

Überdies sei ein Puffer eingebaut, der dafür sorge, dass beim Zuschalten von Verbrauchern die Stromspannung und -frequenz nicht einbrechen. „Fällt die Spannung durch Einschaltvorgänge ab, kann es nämlich passieren, dass irgendwelche Geräte, die ebenfalls dranhängen, nicht mehr funktionieren.“ Das werde beim „Mobilen Sonnenaggregat“ verhindert, betont Ermert.

Eine sinnvolle Kombination mit „M-IQ“

Ein Klassenzimmer mit Akustiksystem, Brandschutzvorrichtung und allem, was es zum entspannten Lernen so braucht – im beschaulichen Herdorf gibt es ein solches ganz flexibel und praktisch „to go“. Denn die „ContainerRent Petri GmbH“ produziert mobile Raumsysteme. „Stellen Sie vier Stück nebeneinander, und dann haben Sie einen Klassenraum“, veranschaulicht Maik Petri, geschäftsführender Gesellschafter.

An der ebenfalls aus Containern bestehenden Verwaltung des Unternehmens lassen sich E-Autos an drei Ladesäulen mit “MANN Naturstrom” “betranken” Foto: Schmalenbach

„ContainerRent Petri“ bietet seinen Kunden ein komplettes Dienstleistungspaket. Die Firma fertigt und montiert mobile Raumlösungen zur Miete oder zum Kauf, darüber hinaus kümmert sich der Betrieb unter anderem um Planung, entsprechende Bauanträge und -genehmigungen, das Unternehmen nimmt die individuelle Ausstattung vor und sorgt ebenso für den Transport der Container zu deren Einsatzort. So setzt die GmbH die Projekte der Kunden vollumfänglich um. Insbesondere hat sich die Firma, die im kommenden Jahr ihr 30-jähriges Bestehen begeht, im Bereich von Schulen und Kitas spezialisiert. Zudem gehören ebenso Verwaltungs- und Bürocontainer zum Portfolio.

Mit komplexeren Nutzungs-Anforderungen, gibt Maik Petri einen Einblick, stiegen gleichsam die zu beachtenden Bauvorschriften. „Es gibt eine Grenze von zwei Jahren. Für Container, die bis zu zwei Jahre genutzt werden sollen, gelten verminderte Bedingungen.“ Darüber hinaus sei dann „die komplette Bandbreite der Bauvorschriften, wie für Massivbau“ zu beachten.

Daher bietet Petri zwei verschiedene Systeme an. „Einmal bis zwei Jahre und einmal über zwei Jahre“, erläutert der Geschäftsführer. Für die Gebäude mit kürzerer Nutzungsdauer greift der Betrieb auf Container eines Wissener Zulieferers zurück. Container, die länger als zwei Jahre oder dauerhaft verwendet werden sollen, stellt das Unternehmen hingegen selbst her, nach einem System, „das alle Bauvorschriften erfüllt.“

Die Fertigung erfolgt in einer Produktionshalle auf dem Firmengelände. Dort bauen die fleißigen Handwerker die gewünschten Kita-Räume, Klassenzimmer oder Verwaltungsbüros, was durchaus mehrere Monate dauern kann. Die Container sind zudem konfigurierbar, können also bei Petri auch mit geringem Aufwand für einen nächsten Anwendungszweck umgestaltet werden. Ist eines der Produkte eben noch eine Kita gewesen, kann es sich als nächstes in ein Klassenzimmer verwandeln, ehe es wiederum zum Büro umgebaut wird. „Ich sage immer: Die Container haben ganz viele Leben“, lacht Maik Petri.

In der Produktionshalle werden Container gefertigt. Davor können wiederum Elektrofahrzeuge geladen werden.

Wie beeindruckend die Gebilde sind, zeigt sich bei Petri am eigenen Beispiel: Hat man die großzügige Verwaltung der GmbH, die selbst in einem der Raumsysteme beheimatet ist, erst einmal betreten, vergisst man glatt, dass man sich in einem Container befindet. „Der ist mit uns auch schon zweimal umgezogen in unserer Firmengeschichte“, schmunzelt Maik Petri. Habe den „Großraumbehältern“ früher stets ein „schmuddeliger Charakter“ angehaftet, seien die inzwischen mehr denn je modern und hochwertiger ausgestatteten Gebäude als praktische und vielseitige Räumlichkeit immer beliebter.

„Der Bedarf ist einfach da“, verweist Petri auf die starke Nachfrage. Insbesondere im Bildungsbereich: „Das ging vor zehn, 15 Jahren los, dass vermehrt Schulen mit Containern ausgestattet werden sollten, temporär oder für Erweiterungen und Sanierungen. Einen ganz großen Schub gab es dann mit dem ,Konjunkturpaket II‘, im Rahmen dessen viele Schulen in der Wirtschaftskrise saniert worden sind und dann Ausweichflächen zur Verfügung gestellt werden mussten.“

„Der Vorfertigungsgrad ist bei Containern natürlich sehr hoch. Das ist einer der großen Vorteile. Es wird hier in der Halle gefertigt, wir fahren raus, stellen alles zusammen, und dann ist das nach einem Tag dicht, und Sie haben nur noch Innen-Komplettierungsarbeiten.“ Ein überaus flexibles Verfahren also, das unserem schnelllebigen Alltag gerecht wird und gleichzeitig eine nachhaltige Alternative zum Massivbau darstellt.

„Mit der Zeit“ geht die Firma allerdings nicht allein, wenn es um die Fertigung der speziellen Raumkonzepte geht. Die „ContainerRent Petri GmbH“ beschäftigt sich ebenso mit regenerativer Energie. So haben fünf Betriebswagen, die den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden, elektrische Antriebe. „Das Thema kommt ja immer mehr“, hebt Maik Petri hervor, warum Elektromobilität einen hohen Stellenwert im Unternehmen hat. Der ökologische Gedanke sei hier bereits lange verankert. „Wir nehmen schon seit einigen Jahren Naturstrom ab.“ Ein Elektroauto habe es zudem ebenfalls früh gegeben. Nun wollte man jedoch die komplette Umstellung der Flotte forcieren.

Im rechten Gehäuse ist die “M-IQ”-Steuerung untergebracht – und greift nötigenfalls ein.

Und damit der „carbon footprint“ wirklich gering ausfällt, gibt es direkt am Firmengelände fünf Ladesäulen von MANN, an denen E-Autos mit Ökostrom „betankt“ werden können. Bei der Suche nach der bestmöglichen Infrastruktur sei die Wahl rasch auf MANN Naturenergie gefallen – insbesondere nach der Lektüre der „Wäller Energiezeitung“, durch die Petri auf eine besondere Dienstleistung des Langenbacher Energieversorgers aufmerksam geworden sei: MANN stellt seinen Kunden nämlich nicht nur die erforderliche Ladeinfrastruktur zur Verfügung, sondern ebenfalls – sofern gewünscht – ein integriertes, dynamisches Konzept, das beim Lastmanagement hilft.

Genauer gesagt: Dank MANN wird bei Petri nicht nur geladen, sondern dabei gleichzeitig darauf geachtet, dass die maximale Strommenge („Peak“) begrenzt wird. Grund dafür ist das von der MANN-Entwicklungsabteilung konzipierte „M-IQ“-Programm (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete). Diese spezielle Software überwacht konstant den Stromverbrauch und schafft die Möglichkeit des „Peak Shavings“: Es wird also dafür gesorgt, dass die „Lastspitze“ – die höchste, einmal jährlich gemessene Spitzenstromlast – niedriger ausfällt, als ohne dieses System. Zunächst wird ermittelt, wie groß das Maximum an elektrischer Leistung überhaupt noch sein muss – mit dem Ziel, es gegenüber früheren Werten noch zu reduzieren, obwohl mit Ladepunkten neue Verbraucher hinzugekommen sind.

Diesen als Maximum definierten Wert hält das intelligente System ein, indem der Stromverbrauch der Ladeboxen im Bedarfsfall kurzzeitig gedrosselt wird. So kann die Spitzenstromlast von „ContainerRent Petri“, sofern nötig, begrenzt werden, und trotzdem werden die Firmenwagen verlässlich geladen – auch, wenn alle gleichzeitig an die Wallboxen angeschlossen sind.

Auf diese Weise schützt das Konzept die Containerbauer vor einer hohen Stromlast, die – wenn sie nicht wie bei Petri durch das MANN-System begrenzt wird – ganz schön kostspielig werden kann, muss ein Industrieunternehmen doch die Jahreshöchstleistung an Strom bezahlen (siehe Kasten).

Die „M-IQ“-Idee stieß bei der Herdorfer Firma daher sofort auf Begeisterung, wie Maik Petri verdeutlicht: „Wir haben uns gesagt: Wir wollen die Ladeinfrastruktur, aber auch gerne das Lastmanagement direkt mit dabei. Denn diese Lastspitzen können sehr teuer werden. Da macht das Sinn, das miteinander zu kombinieren – und diese Kompetenz haben wir bei MANN gesehen.“

Wenn also die Wagen bei „ContainerRent Petri“ an die Wallboxen angeschlossen und mit 100-prozentigem, zertifiziertem Naturstrom von MANN geladen werden – drei Ladepunkte befinden sich an der Verwaltung, weitere zwei an der Produktionshalle – verbessert dies nicht nur den CO2-Fußabdruck, sondern schont gleichfalls den „Geldbeutel“ der Herdorfer Firma.

Andra de Wit

Umweltfreundlicher auf dem Heimweg

Willi Köhler (links) versucht mit seinem Kollegen Jannick Kessler, die Reglerwelle des Dampfmotors wieder in Ordnung zu bringen. Derweil lädt sein Fiat draußen vor der Halle.

Die beiden auffälligen Fahrzeuge haben im Advent schon eine Reihe Westerwälder auf Straßen zwischen Hachenburg und Betzdorf bemerkt. Doch jetzt gerade stehen der „Hyundai IONIQ 5“ und der „Fiat 500 E“ auf dem Gelände der Firmengruppe MANN. Dort laden die dekorativ und farbenfroh im Design der „Westerwälder Holzpellets“ folierten PKW echten Ökostrom, während ihre Fahrer fleißig bei der Arbeit sind.

Mit einem recht großen Schraubenschlüssel und einem gut und gerne zwei Meter langen Rohr als Hebel machen sich Willi Köhler und Jannick Kessler in der Werkstatt der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) an einer Reglerwelle zu schaffen. Die, erläutert Köhler, gehöre zum Dampfmotor des Biomasse-Heizkraftwerkes auf dem Firmengelände und sei defekt. Das Problem hat Auswirkungen auf die Pelletproduktion, darum muss schnell Abhilfe geschaffen werden.

Während Willi Köhler mit seinem Kollegen schraubt und hebelt und repariert, parkt sein nagelneuer, elektrischer Fiat draußen vor einer benachbarten Halle: Dort sind mehrere Ladepunkte vorhanden – und an einem davon lädt Köhler derweil seinen fahrbaren Untersatz mit „MANN Strom“. Kostenlos. Etwas weiter steht der besagte „IONIQ“. Er gehört Florian Höfer, der als Elektroniker für Betriebselektrik die Anlagenprogrammierungen bei MANN und den WWP erledigt.

Die neuen Wagen sind Köhler und Höfer von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden – obwohl der Kraftwerksspezialist und der Elektroniker „ganz normal“ in Langenbach arbeiten und nicht im Außendienst tätig sind, wo Firmenfahrzeuge sonst üblicherweise eingesetzt werden.

Der “500 E” während des Ladens. Entlang der “Halle 2” werden Anfang 2022, im Vorgriff auf die Auslieferung aller elektrischen Betriebsfahrzeuge, weitere “Tankstellen” intalliert.

Der Fiat und der Hyundai sind die ersten zwei von zunächst zehn Elektroautos, die von den WWP in diesen Tagen neu angeschafft und den Mitarbeitern sowohl für Fahrten zur Arbeit als auch im Privatleben überlassen werden. Den Gedanken zu dieser Aktion hatte WWP-Chef Markus Mann schon längere Zeit im Kopf gehabt. Als dann im September die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Erneuerbare-Energie-Pionier am Langenbacher Schulweg besuchte (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) und im Hintergrund ein Mitarbeiter mit einem hochmotorisierten Verbrenner vorbeibrauste, da stand für Mann fest: Es soll etwas getan werden, damit auch der CO2-Fußabdruck der Belegschaft weiter sinkt. Und zwar indem den Mitarbeitern angeboten wird, ihren Verbrenner gegen ein Elektroauto, das von den WWP finanziert wird, zu tauschen. Schließlich sei man sich als Anbieter regenerativer Energie ebenso der gesamten eigenen Verantwortung für die Energiewende bewusst, betont Mann.

So machte sich Prokurist Jörg Thielmann auf Geheiß seines Chefs daran, geeignete Fahrzeug- und Finanzierungsmodelle zu sondieren. „Unsere Holzpellets haben zwar ohnehin einen äußerst geringen ‚carbon footprint‘ von unter elf Kilogramm je Tonne, aber eigentlich muss man für eine umfassende CO2-Reduzierung auch die Arbeitswege der Mitarbeiter betrachten“, führt Thielmann aus. „Doch wie schaffen wir es, dazu zumindest einem Teil der Belegschaft den Einstieg in die Elektromobilität zu ermöglichen? Der Kaufpreis der entsprechenden Fahrzeuge ist ja doch sehr hoch, und manch einer hat vielleicht noch ‚Reichweiten-Angst‘ oder so etwas. Darum hatten wir die Idee, in einem ersten Schritt eine Flotte von zehn Fahrzeugen zusammenzustellen“, beschreibt Jörg Thielmann das Vorhaben.

Es sei den Mitarbeitern keinerlei Vorgabe gemacht worden, welches Fabrikat sie auswählen müssen. „Ich habe mich zunächst schlaugemacht, was es überhaupt auf dem Markt an verfügbaren Wagen gibt. Worin unterscheiden sich Modelle? Wo kann ich sie beschaffen? Und habe Angebote für verschiedenste E-Autos eingeholt“, schildert Thielmann. Kleine, günstige Fahrzeuge sollten genauso darunter sein wie familientaugliche oder, falls gewünscht, mit einer ordentlichen Anhängelast (im Fall des „IONIQ“ sind es sogar 1,6 Tonnen).

Der jeweilige Mitarbeiter brauchte seinerseits nur eine anteilige Gehaltsumwandlung beizusteuern – doch in jedem Fall sei die individuelle Mobilität mit dem über die WWP angeschafften Betriebsfahrzeug für jeden der am Programm Teilnehmenden künftig immer deutlich günstiger als der zuvor benutzte Privatwagen, unterstreicht Prokurist Thielmann. Versicherungen, Reparaturen, Reifen und Ähnliches spart der WWP-Beschäftigte, derlei übernimmt bei den E-Autos komplett der Arbeitgeber. „Und alle, die mitmachen, kommen so an ein funkelnagelneues, modernes Auto.“

Das Interesse an dem Angebot sei sofort sehr groß gewesen, wie der Prokurist erzählt: Er hätte ebenso gut und gerne sofort 25 Elektroautos ordern können. Im ersten Schritt umfasst das Kontingent nun zunächst zehn bereits bestellte oder ausgelieferte PKW, wobei die momentan langen Lieferzeiten der Hersteller die Umsetzung der Aktion etwas ausbremsen. Aber Jörg Thielmann hofft, dass bis April, Mai alle Neuwagen bei seinen entsprechenden Kollegen angekommen sein werden.

Zugeteilt wurden die Betriebsfahrzeuge nach der Reihenfolge der Bewerbungen dafür. „Jetzt wollen wir als Firma mit den ersten Autos erst einmal Erfahrungen sammeln, wie es in der Praxis mit der Abwicklung läuft, wie die Kosten sich entwickeln“, so Thielmann. Eine Neuauflage des Programms im kommenden Jahr sei denkbar.

„Citroën E-Jumpy“, „Skoda Enyaq“, „Fiat 500 E“ „Hyundai IONIQ“, „ID 3“ und „ID 4“ von VW, „Kia EV6“, „Opel Corsa E“ „BMW I3“: Durch die Berücksichtigung der Mitarbeiterwünsche – einer ist zum Beispiel „Teilzeitbauer“ und möchte mit dem neuen fahrbaren Untersatz auch Kartoffeln transportieren können – ist eine große Bandbreite an Modellen herausgekommen, die die WWP geordert haben. Allen gemein ist, dass sie von ihren Fahrern, während sie wie Willi Köhler in Produktion oder Verwaltung bei der Arbeit sind, an den MANN-Ladesäulen „getankt“ werden können. Das erfolgt grundsätzlich kostenlos für die Mitarbeiter – und außerdem vom „Lastmanagement“ (siehe auch Seite 6) kontrolliert.

„Wenn eine unserer Anlagen – etwa eine Pelletpresse – besonders viel Leistung benötigt, dann regelt unser Programm die Ladeboxen für kurze Zeit herunter.“ Damit werde vermieden, dass der „Leistungspreis“ (den alle Unternehmen mit einem Strombedarf von über 100.000 Kilowattstunden im Jahr zahlen müssen) aufgrund hoher Lastspitzen sehr teuer würde für die WWP, fährt Florian Höfer fort, der das Lastmanagement bei den WWP programmiert hat. Im Gegenteil spart das Langenbacher Unternehmen jährlich einen fünfstelligen Eurobetrag gegenüber früher ein, seit Messpunkte und die Software mittels sogenanntem „Peak Shaving“ die Maximalwerte begrenzen.

Jörg Thielmann stieß mit dem E-Auto-Angebot auf großen Zuspruch bei seinen Kollegen. Foto: Schmalenbach

Von der – ohnehin nur während weniger Minuten notwendigen – Leistungsreduzierung an den Ladepunkten merken die E-Autofahrer nichts. Nein, schüttelt Florian Höfer den Kopf: „Letztens hatte ich meinen ‚IONIQ‘ morgens um kurz vor sechs Uhr bei Arbeitsbeginn mit nur noch zu 20 Prozent geladener Batterie hier eingesteckt, und um ungefähr elf Uhr kam die Benachrichtigung aufs Handy, dass er bereits wieder vollgeladen sei. Und bis um drei, vier Uhr bin ich mindestens hier.“ So wäre also bis zum Feierabend immer noch überreichlich Zeit, den Ladevorgang weiterlaufenzulassen – selbst wenn das Lastmanagement die entsprechende Wallbox noch zwei oder dreimal häufiger heruntergeregelt hätte, um Lastspitzen im gesamten Areal-Netz der WWP zu begrenzen.

„IONIQ“-Fahrer Höfer weist darauf hin, dass die Ladepunkte vom Lastmanagement nie komplett abgeschaltet, sondern nur heruntergeregelt würden. „Manche Fahrzeuge einiger Hersteller fangen nach einer kompletten Abschaltung des Ladestroms nicht wieder von allein zu laden an, da ihre Software das nicht leistet. Durch das ledigliche Reduzieren des Ladestroms wird das Problem bei allen Fabrikaten vermieden“, erklärt Florian Höfer. Das Auto lädt also kontinuierlich – nur für den Fall, dass das Lastmanagement Lastspitzen kappt, eben mit maximal sechs Ampere Ladestrom. In 85 Prozent der Zeit hingegen laden die Stationen laut Höfer die Autos ohnehin mit „Volldampf“.

Auch, um diese Alltagstauglichkeit der mittels Lastmanagement „getankten“ neuen E-Autos zu untermauern, wurde das Mitarbeiter-Programm aufgelegt, ergänzt Jörg Thielmann einen weiteren positiven Aspekt. „Man sieht, das Lastmanagement, das wir auch unseren Kunden anbieten, funktioniert und erfüllt seine Aufgabe – der E-Autofahrer bekommt selbst gar nicht mit, dass hier oder da mal wenige Minuten mit geringerem Strom geladen wurde. Dafür spart das Unternehmen WWP jedoch viel Geld beim Leistungspreis.“

So gewinnen bei dem neuen Elektroauto-Programm der „Westerwälder Holzpellets“ irgendwie alle: Die Energiewende wird vorangebracht, beim Laden wird kein Atomstrom oder Strom aus umweltschädlicher Kohleverstromung in den Autoakkus gespeichert, sondern zertifizierter „MANN Strom“. Der CO2-Fußabdruck der WWP – bezogen auf das gesamte Unternehmen und nicht allein die hochwertigen Holzpellets – sinkt weiter erheblich dadurch, dass die Mitarbeiter umweltfreundlicher zur Arbeit kommen und nach Hause fahren als früher. Die Beschäftigten profitieren zugleich finanziell. Und die WWP haben mit den zur Verfügung gestellten Fahrzeugen obendrein eine weitere Möglichkeit der Mitarbeiterbindung und um sich mit einem zusätzlichen Merkmal ebenfalls als höchst attraktiver Arbeitgeber für neue Bewerber zu empfehlen.

Willi Köhler hat das Problem mit der Reglerwelle inzwischen gelöst und das Teil wieder im Kraftwerk montiert. Der erfahrene Kraftwerkspezialist hat sich gewaschen und umgezogen, „stöpselt“ den 500er-E-Fiat ab – und tritt emissionsfrei den 13 Kilometer langen Heimweg in seinem neuen WWP-Auto an.

Uwe Schmalenbach

Notreserve und Außenlager geben Sicherheit

Waren anfänglich dem Heizen mit Holzpellets skeptisch Gegenüberstehende vor allem unsicher, ob ein Pelletbrenner dauerhaft funktionieren würde, macht sich mancher heute Gedanken um eine vermeintliche Brennstoffknappheit – im Fall der Kunden der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) jedoch zu Unrecht, wie ein Blick auf die Anzeige in der Schaltwarte des WWP-Pelletwerkes zeigt.

Damals eröffnete Unternehmenschef Markus Mann mit der WWP-Produktionsstätte im Westerwälder Langenbach bei Kirburg das erste großtechnische Pelletwerk Deutschlands, mit 20.000 Tonnen Kapazität. Das war 2001, und seinerzeit gab es gerade einmal 5.000 Tonnen Absatz in Deutschland. „Das hatten wir ein bisschen überdimensioniert und gesagt: Der Markt wird sich schon entwickeln“, lacht Mann heute.

In der Schaltwarte lässt sich der gute Füllstand der vier Silos ablesen.

Doch seither wurden immer mehr Pelletfeuerungen im Inland in Betrieb genommen, das Prinzip hat sich durchgesetzt in deutschen Heizungskellern. Als die Entwicklung damals richtig losging, da wurden WWP von Flensburg bis München und bis nach Paris gebracht. „Wir waren ja die einzigen in Deutschland!“ schmunzelt Markus Mann, „man hat überall hin geliefert, wo halt Nachfrage war. Aber das hat wahnsinnige Wege verursacht. Darum haben wir unser Vertriebsgebiet mehr und mehr verkleinert auf einen Radius von 100 Kilometern um unseren Standort – da sind wir froh drüber. Die Fahrer sind glücklich, weil sie abends pünktlich zu Hause sind. Und es wird auch weniger CO2 beim Transport ausgestoßen, wenn die Strecken kürzer ausfallen.“

Im Winter 2006/2007 gab es weiterhin erst eine Handvoll Pelletwerke in Deutschland. Zugleich aber stiegen die Ölpreise stark an, so dass viele Haushalte auf Pelletfeuerungen umstellten – und der betreffende Winter wurde obendrein richtig kalt. „Das war schon eine Situation, in der die Menschen angerufen und fünf Tonnen Pellets bestellt haben, weil sie im Februar leergelaufen sind. Dann haben wir mitunter in zwei Teilen geliefert: Wir haben zweieinhalb Tonnen gebracht – und dem Nachbarn auch. Und im März/April haben wir den Rest ausgefahren“, erinnert sich Markus Mann an ein gut funktionierendes Verfahren, das man im Fall der Fälle wieder anwenden könnte. „Der Kunde hatte seinerzeit preislich keinen Schaden dadurch und dennoch immer genug Brennmaterial im Haus. Das war damals außerdem ein bisschen auch der ‚Klopapiereffekt‘, wie wir ihn seit ‚Corona‘ kennen: Die Leute haben auf einmal Panik bekommen und wild geordert, als es kalt wurde. Der nächste hat dann gedacht, er müsse nun besonders viel bunkern – und statt der fünf Tonnen plötzlich sieben Tonnen angefordert.“ Wobei natürlich jeder mit zwei oder drei Tonnen problemlos bis in die wieder wärmere Jahreszeit gekommen wäre…

Heute gibt es auf dem Firmengelände eigene Silokapazitäten von 9.000 Tonnen bei einer Produktion von 45.000 bis 48.000 Tonnen im Jahr. Daneben sei eine Notreserve angelegt worden. Wenn etwas schiefgehe, erläutert der WWP-Chef, die Anlage etwa trotz guter Wartung eine Woche lang ausfallen würde und daher in der Zeit nicht produziert werden könnte, sei dafür der Puffer vorhanden, aus dem die WWP-Kunden unterdessen ganz normal versorgt werden würden.

Markus Mann hat das Auf und Ab zwischen Nachfrage und Kapazität für den aus Nebenprodukten der Sägeindustrie gefertigten Brennstoff nunmehr 20 Jahre lang erlebt. Foto: Schmalenbach

Auch Holz als Rohstoffe haben die WWP inzwischen zusätzlich in einem großen Außenlager im Nachbarort Kirburg „auf Halde“. Dort wird Rundholz bevorratet, und da Pellets aus den Nebenprodukten gemacht werden, die bei dessen Verarbeitung im WWP-eigenen SEO-Sägewerk anfallen („SEO“ steht für „stofflich-energetisch optimiert), ist somit der Nachschub für die Pelletpressen gleichermaßen gut gesichert.

Mann: „Wir werden bei den WWP gut durch den Winter kommen.“ Schwierigkeiten könne höchstens ein „Schneewinter“ machen: Sind die Straßen dicht, haben natürlich auch Pellet-Lkw Probleme, ihr Ziel zu erreichen. Und gerade in Wohngebieten ist nicht immer sofort jede Straße geräumt. „Darum sollte man als Endkunde immer schauen, dass man stets einige ‚Notsäcke‘ voll Pellets in der Ecke hat, sollte der Lkw einmal nicht durchkommen,“ rät Mann.

Egal, ob im Sommer oder Winter geordert, in einem harten oder milden Winter genutzt: In den 20 Jahren haben die „Westerwälder Holzpellets“ gegenüber Heizöl 1,08 Millionen CO2 eingespart. Und während der gesamten Zeit seien die Presslinge außerdem immer mit „grünem“ Strom hergestellt worden, wie Markus Mann betont.

Henk van Heerden

WWP-Kunden werden keinen Mangel spüren

Die WWP-Silos versinken im herbstlichen Nebel – doch davor türmen sich die Hackschnitzel, die Pelletrohstoff sind, wie Markus Mann erklärt. Foto: Schmalenbach

Markus Mann ist geschäftsführender Gesellschafter der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP). Mit dem Pelletpionier – er produzierte vor 20 Jahren als erster in Deutschland großtechnisch die klimafreundlichen Presslinge – sprach Uwe Schmalenbach über eine angebliche Verknappung des Brennmaterials, von der in manchen Medien in diesen Tagen die Rede ist.

Schaut man auf die Zahlen des „Deutschen Pelletinstituts“ (siehe Grafik), hat man den Eindruck, dass Pellets „in“ sind. Stimmt diese Wahrnehmung?

Ja – endlich, nach genau 20 Jahren, die wir nun Pellets machen, merken wir, dass der Durchbruch vollends geschafft ist.

Wie haben Sie diese zwei Jahrzehnte währende Entwicklung erlebt?

Das war ein total schwieriger Prozess, denn das Auf und Ab zwischen Absatz auf der einen und neuen Produktionskapazitäten auf der anderen Seite war nicht einfach planbar. Man merkte, es gab neue Nachfrage, mehr Pelletkessel, es wurde also mehr Brennstoff gebraucht – aber auf einmal haben plötzlich potenziell Rohstoffe Besitzende gesagt: „Super, dann baue ich auch ein Pelletwerk.“ Und dann herrschte wieder Überkapazität am Markt… Diese 20 Jahre sind eigentlich immer von einer Überkapazität geprägt gewesen. Extrem hat dazu außerdem die Importware beigetragen.

Wie viele Pelletwerke gibt es in Deutschland?

Mittlerweile um die 70. Der Pelletmarkt weltweit liegt aktuell bei etwa 45 Millionen Tonnen, der in Deutschland bei drei bis 3,3 Millionen Tonnen. Was mir wehtut: Wenn Pellets vom Weltmarkt in Kraftwerken quasi nur verstromt werden und die Wärmeenergie nicht genutzt wird! Dann haben sie einen schlechten Wirkungsgrad. Das geschieht vor allen Dingen in England und in den Niederlanden. Das sind große Mengen, die dort in die Verstromung reingehen.

Sind internationale Pellethersteller Konkurrenz für die WWP?

Wir haben immer wieder so Phasen erlebt, in denen Ware aus dem Baltikum, aus Russland, Kanada, USA auftauchte – stets dann, wenn bei uns der Spänepreis ein wenig hochging. Dann kamen Schiffsladungen den Rhein hoch bis nach Basel, den Neckar rauf bis nach Stuttgart. In den letzten fünf Jahren war die Situation da aber entspannt. Da waren es eher Lastwagenladungen aus Osteuropa. Doch da sind die Wege, unter anderem wegen der Konflikte zwischen Weißrussland und der EU, derzeit etwas unterbrochen.

…was zeigt, wie wichtig eine Versorgung aus dem Inland ist?

Ja, denn plötzlich ist der Lkw-Verkehr aus dem Osten nicht mehr so flüssig. Was dazu beitragen könnte, wenn die Pelletvorräte in diesem Winter mal etwas knapper ausfallen.

Lohnen sich Pellets aus dem Ausland preislich überhaupt?

Es ist ein riesiger Qualitätsunterschied! Also der Premium-Kunde, der seine fünf Tonnen im Jahr verheizt oder daheim seine zwei Paletten Sackware benötigt, der muss wirklich gucken, dass er höchste Qualität bekommt. Ware aus dem Ausland, die mehrfach umgeschlagen wird, wird dabei kurzbrüchig, dann sind mal Fremdkörper drin, es gibt Störungen im Brenner.

Noch einmal zurück zum Boom von Pelletheizungen: Gibt es genug Brennstoff bei dem steigenden Verbrauch bei uns? Und Rohstoffe für die Pelletproduktion?

Mit diesem Wachstum im Verbrauch muss auch das Wachstum der Produktionskapazitäten mithalten können. Aber wenn ich heute die Idee habe, ein Pelletwerk zu bauen, brauche ich – bis ich überhaupt einen Bauantrag stellen kann – ein gutes Jahr für Planung und Organisation. Dann benötige ich eine Baugenehmigung, und nach der Bundes-Immissionsschutzverordnung ist das auch noch eine „BImSchV“-Genehmigung, was das Verfahren verkompliziert. Dann gibt es den einen oder anderen neuen Standort in Deutschland, der zunächst noch eine Bürgerinitiative gegen sich hat. Wir Deutschen steigen ja aus ziemlich viel aus, aber nicht so gerne in Neues ein – jedes Windrad wird beklagt. Ich staune ja fast, dass die PV-Anlagen auf den Dächern noch nicht beklagt werden, weil sie „komisch reflektieren“. (schmunzelt) Aber zurück zum zeitlichen Ablauf: Sie haben heute die Idee, in einem Jahr die Genehmigungsunterlagen eingereicht, und dann der unbekannte Fortgang, ob es zwei, drei oder vier Jahre dauert, bis man wirklich mit dem Bau beginnen darf. Die Zeithorizonte sind da, bis man ein neues Werk hat, und darum dauert es auch drei oder vier Jahre, bis man die Produktionskapazität bundesweit an eine steigende Nachfrage anpassen kann.

Was ist mit den bestehenden Werken? Kann man da hochfahren?

Die laufen fast alle rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Das sind „Dauerläufer“, die auf Temperatur bleiben müssen, und vieles mehr; man kann sie also nicht einfach zum Wochenende abschalten und Montagmorgen wieder einschalten. Und man kann auch nicht nach Belieben 30 oder 40 Prozent mehr Pellets damit pressen.

Aber soweit ich weiß haben die WWP doch ihre Kapazitäten alleine dadurch erhöht, dass Sie die Produktion optimiert haben…

Also, wir haben über die Zeit hier in Langenbach um die 37.000, 38.000 Tonnen im Jahr gemacht. Da waren wir schon stolz und froh. Dieses Jahr werden wir irgendwo bei 46.000 Tonnen herauskommen – das ist durch Finetuning erreicht worden.

Sägespäne aus dem SEO-Sägewerk rieseln unaufhörlich auf große Haufen, aus denen die Pelletpressen gespeist werden. Das WWP- eigene Sägewerk ist also auch ein Garant für die Rohstoffverfügbarkeit für die Presslinge.

Wie das?

Wir haben noch ein paar Ecken gefunden, wo „Flaschenhälse“ in der Produktion bestanden haben, die wir optimieren konnten. Doch auch dabei hängt es an Lieferzeiten für Komponenten, an Manpower – das alles wird immer noch von Menschen gemacht, die nicht alle in der Reihe Schlange stehen und warten, dass sie loslegen können.

Haben die Veränderungen, die jeder beim Spaziergang oder Mountainbiken im Wald sieht, Auswirkungen auf die Pelletkapazitäten? Ich brauche letztlich auch gesunde Bäume als Quelle der Rohstoffe für die Pellets…

Ich kann im Grunde fast jedes Holz außer das der Pappel einsetzen, um schöne Pellets zu machen. Ich muss die Maschine anpassen und sehen, dass das Holz sauber behandelt wird. Der Wandel, der jetzt in den Wäldern stattfindet, führt dazu, dass auch andere Holzarten bei der Durchforstung geschlagen werden. Für die Pellets sind die alle gut. Ein Sägewerk wird schon eher Probleme bekommen, immer in der passenden Menge die passenden Stämme zu beschaffen. Wir haben ein Konzept in der Säge, wo alles reinpasst, es wird jedoch nicht für jeden Pelletierer und Säger so einfach gehen.

Für „Westerwälder Holzpellets“ gibt es also selbst dann genug Nebenprodukte aus der Säge, wenn die benötigten Mengen weiter steigen?

Ja, ja. Bei den vorhin besagten drei bis 3,3 Millionen Tonnen Pellets, die zur Zeit produziert und verkauft werden in Deutschland, haben wir ein recht leicht erreichbares Potenzial von neun bis zehn Millionen Tonnen. Wenn man das ausdehnen will, sind laut einer Erhebung des Pelletverbandes 15 bis 17 Millionen drin. Natürlich: Holzpellets können nicht den gesamten deutschen Wärmemarkt und zugleich auch noch die gesamte Prozesswärme für die Industrie decken. Aber 20 bis 25 Prozent des deutschen Wärmemarktes können mit Holzpellets versorgt werden. Und da wir nicht die Innenstadt von Köln mit Pellets beheizen, sondern eher im ländlichen Raum unterwegs sind, passt das bei uns perfekt. Dort, wo früher eine Ölheizung im Keller gewesen ist, da ist Platz für Pellets vorhanden und für den Brenner daneben. Darum sind Pellets der perfekte Brennstoff für den ländlichen Raum.

In den Winter hinein gut gefüllt: Die WWP-Silos, die seit neuestem Solarzellen auf ihrer Außenhaut tragen und so etwa 100.000 kWh Ökostrom im Jahr erzeugen, der weitere 100 Tonnen CO2 vermeidet und für das Pressen von 800 Tonnen Pellets ausreicht.

Klingt alles gut – dennoch liest man in diesen Tagen von Kunden, die angeblich Probleme haben, ihren Pelletbunker zu füllen…

Ja, das ist interessant… Wir schauen uns das genau an: Es gab hier im Westerwald rund 25 Anbieter. Aber wir haben in den letzten Wochen gesehen, dass sich einige zurückgezogen haben. Die haben scheinbar nicht gut vorgesorgt – und offenbar nicht genug in ihren Lagern.

Wie sieht es in den silbernen Silos der WWP aus, die hier vor Ihrem Fenster in den Herbstnebel ragen?

Wir haben unseren Bedarf frühzeitig hochkalkuliert aufgrund des Wachstums an Pelletheizungen – und haben unsere Silos dementsprechend gefüllt. So werden wir unsere Kunden bedienen können. Was wir nicht können: Wahllos Neukunden versorgen, die sonst nur auf den billigsten Preis geschielt haben und nun anderswo nichts mehr kriegen. Da gucken wir uns genau an, ob diese Menschen noch reinpassen mit ihren Bestellungen oder nicht. Die Stammkundschaft wird definitiv bevorzugt!

Energiewende! Jeder Quadratmeter Solarstrom zählt!

Entsprechend dieser Herausforderung haben wir aktuell die Fassade von unseren Pellet-Silos mit einer 137 KW-PV-Anlage belegt. Die Fläche wurde von Süd-Ost bis Süd-West beplankt und soll nun ca. 100.000 kWh im Jahr erzeugen.

Das entspricht gegenüber Kohlestrom eine Einsparung von jährlich 100 Tonnen CO2! Bzw. wir können damit ca. 800 t Holzpellets herstellen. Immerhin der Wärmeenergiebedarf von knapp 800 Menschen. Wie gesagt: „Jeder Quadratmeter zählt!“

Noch ein Rechenspiel: Unsere Mitarbeiter mit E-Auto können mit den 100.000 kWh ca. 570.000 KM fahren.

Erklären und bewusst Entwicklungen anstoßen

Die Ladeboxen bei “EUROGREEN” in Rosenheim wurden von “MANN Naturenergie” installiert.

Irgendwann habe er sich gefragt, welchen persönlichen CO2-Fußabdruck er in 60 Jahren wohl verursacht habe, erzählt Thomas Peters. Und er habe nicht nur darüber nachdenken, sondern etwas tun wollen, so der Diplom-Agraringenieur. Als Geschäftsführer der in Rosenheim ansässigen Firma „EUROGREEN“ hat er dazu besonders im beruflichen Umfeld eine Reihe Möglichkeiten. Eine Kohlenstoffdioxid reduzierende Idee hat der Firma zuletzt den „Innovationspreis Rheinland-Pfalz“ des Wirtschaftsministeriums für einen „positiven Beitrag zum Klima- und Artenschutz“ eingebracht.

Lupinen brauchen selbst keinen Dünger und gelten als “Insektenweide”. Foto: EUROGREEN

Rasen, wie er zum Beispiel in Fußballstadien liegt, muss einiges aushalten. Damit die Halme einen sattgrünen „Sportrasen“ bilden, bietet „EUROGREEN“ eine Menge Produkte vom Saatgut, über Dünger, bis zum Mähroboter oder auch ein „Pflegeabonnement“ an (und etliches mehr, ebenso für Kommunen oder den GaLa-Bau), damit beispielsweise Fuß- oder auch Golfbälle immer perfekt rollen. 22 Düngemittel hat das Westerwälder Unternehmen im Programm, bislang fünf davon sind organischmineralische Produkte.

60 Mitarbeiter sind in Deutschland für das Unternehmen tätig, 20 in Tschechien, 15 in Österreich. Thomas Peters ist schon seit 1988 bei seiner heutigen Firma. Seine Motivation, sich mit CO2-Vermeidung zu befassen, sei „tatsächlich von der Diskussion angestoßen worden, die Greta Thunberg und der Video-Blogger Rezo angestoßen haben“.

Klar: Am Firmensitz in Rosenheim ließ sich kurzfristig einiges verändern, so werden seit einem Lampentausch in der Halle 30.000 kWh Strom im Jahr eingespart. 600 Rasenroboter hat „EUROGREEN“ angeschafft. „Wenn die mit Grünstrom laufen, vermeidet man pro Jahr eine Tonne CO2“, sagt Peters.

Doch er wollte auch auf der Produktseite Veränderungen herbeiführen. Denn (konventionelle) Düngemittel sind nicht eben „Umweltschoner“: Ihr Gehalt an Langzeitstickstoff ist ein wichtiges Qualitätskriterium. Den hat „EUROGREEN“ über viele Jahre vor allem aus den USA importiert – was schon allein durch den Transport eine Menge CO2 emittiert hat. Abgesehen davon, dass die Düngemittelherstellung mit einem üppigen Chemieeinsatz einhergeht.

Thomas Peters befasst sich viel mit der Frage, wie perfekt Profirasen beschaffen sein muss.

Thomas Peters wünschte sich Rasendünger, der aus organischem Material entsteht. Die (sonst übliche) Verwendung von Klärschlämmen, Tierexkrementen oder Schlachtabfällen kam indes nicht infrage – aus hygienischen Gründen etwa und auch, weil damit indirekt sogar die Massentierhaltung unterstützt werde.

Die Innovation, die bei „EUROGREEN den Namen „Lupigreen“ bekommen hat, besteht im Kern darin, dass anstelle des (synthetischen) Langzeitstickstoffs aus Übersee nun der Samen der Lupine verwendet wird. Die Lupine bauen zudem Bauern in der heimischen Region an, was Transportwege weiter reduziert. Die Pflanze ist in der Lage, mit Hilfe von „Knöllchenbakterien“ Stickstoff aus der Luft zu „verarbeiten“, einzulagern und so später für die zu düngenden Pflanzen verfügbar zu machen; „angetrieben“ wird dieser natürliche Prozess durch die Sonnenenergie! So führe „Lupigreen“ insgesamt zu einer bis zu 50-prozentigen Reduzierung des CO2-Fußabdrucks bei der Düngerproduktion, wie die bei „EUROGREEN“ für Marketing zuständige Stephanie Lauer herausstellt.

„EUROGREEN“ kämpft nach den Worten des Geschäftsführers gegen sehr viel größere Wettbewerber. Sehr beweglich zu sein, neue Ideen zu haben, sei da eine wichtige Zukunftsversicherung, betont Thomas Peters: „Wir sind Trendsetter durch unsere eigene Forschung und Entwicklung, die auch ‚Lupigreen‘ hervorgebracht hat.“ Und CO2-bewusst zu produzieren, sei eine „wichtige strategische Komponente für die Zukunft, die existenziell ist. Wir müssen sehr weit vorausdenken“, so der Agrarwissenschaftler. Denn möglicherweise könnte „EUROGREEN“ noch zehn Jahre einfach weiter konventionellen Dünger verkaufen, „aber nicht mehr 20 oder 30 Jahre lang!“

Nun fällt die Düngung mit „Lupigreen“ durchaus teurer aus als mit herkömmlichen Produkten. „Aber wir sollten es uns in unserem reichen Land leisten können, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren“, argumentiert Peters. Im Garten- und Landschaftsbau zeichne sich bereits ab, dass man gegen „übel riechende Dünger aus Massentierhaltung“ punkten könne. Denn Kunden der Betriebe fragten diese ebenfalls verstärkt, was sie einsetzten. Nicht anders sehe es bei den Bürgern von Kommunen aus, die genauso zum Kundenkreis von „EUROGREEN“ zählen. Und „WOLF-Garten“ werde „Lupigreen“ aus Anlass seines 100-jährigen Bestehens als Lizenznehmer ins Programm einführen und über Gartencenter und Baumärkte ab der 2022er-Gartensaison ebenfalls für Endverbraucher anbieten.

Stephanie Lauer (links) und Jacqueline Lenz auf dem Versuchsfeld in Rosenheim, wo Rasenarten, Bewässerung, Düngung und Pflege getestet werden. Foto: Schmalenbach

Thomas Peters wollte wirklich etwas tun gegen immer mehr CO2, wie er noch einmal unterstreicht. Jüngst wurde darum auch die Dienstwagenrichtlinie von „EUROGREEN“ geändert, die vormals vorsah, dass (aus Kostengründen) allein Diesel gefahren werden müssen. Nunmehr sind ausdrücklich auch Hybrid- und E-Autos erwünscht. Mehr noch: Die Zuschüsse, die der Staat bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen gewährt, bekomme der

„EUROGREEN-Mitarbeiter“ von seinem Arbeitgeber als Förderung, um sich damit eine eigene Ladeinfrastruktur daheim aufbauen zu können.

Allzu viel Resonanz auf das Angebot gab es bei Redaktionsschluss laut Jacqueline Lenz, die für den Fuhrpark zuständig ist, indes noch nicht: „Das ist alles sehr erklärungsbedürftig, und wir müssen Überzeugungsarbeit leisten. Aber wir wollen bewusst Entwicklungen anstoßen – so wie mit unseren Produkten.“

„Klimaneutrales“ Bier aus Hachenburger Tanks

Der “Bierpark” auf dem Brauereigelände ist frei zugänglich und ein Teil der Gartenroute im Regionalprojekt “Kräuterwind”. Foto: Westerwald-Brauerei

„Klimaschutz war in den letzten Jahrzehnten schon immer ein Thema für uns! Wenn man eine Brauerei ist, die 1861 hier im schönen Westerwald gegründet wurde und auch von der Natur profitiert – unser Brauwasser kommt komplett naturbelassen aus dem Westerwald, unser Weizen, unsere Braugerste werden vor Ort angebaut, unsere Mitarbeiter wohnen in der Region, die viel Lebensqualität bietet –, dann ist es eine gewisse Verpflichtung!“, antwortet Jens Geimer auf die Frage, warum sich die von ihm geführte „Westerwald-Brauerei“ neben dem Brauen mit Klimaschutz befasst.

Seit dem 1. Oktober ist die „Hachenburger“, wie viele Wäller das Unternehmen nennen, klimaneutral durch Kompensation. Diesen Zustand will sie spätestens 2030 komplett aus eigener Kraft (also ohne den jetzt noch nötigen Zukauf von Emissionszertifikaten) erreichen. MANN Naturenergie hilft den Bierbrauern bereits beim Klimaschutz. Denn seit Anfang 2020 kommt die gesamte elektrische Energie von dem Langenbacher Versorger, der ausschließlich physikalisch-gekoppelten Ökostrom liefert.

Es sind nicht allein die Erzeugung von für das Bierbrauen benötigter Wärme und Kälte oder die Beleuchtung des Sudhauses, die sich auf den CO2-Fußabdruck der „Westerwald-Brauerei“ auswirken. Will man den seriös betrachten, so gehören viele Dinge mehr wie zum Beispiel Voll- und Leergut-Transporte zwischen Supermärkten, Gaststätten und der Brauerei, die Arbeitswege der Mitarbeiter, die Touren von Vertriebsleuten, aber ebenso der Einkauf von Vorprodukten vom Bierdeckel bis zum Kronkorken samt deren Beförderung in die Gesamtrechnung.

Um diese überhaupt einmal aufzustellen, habe man die „Zukunftswerk eG“ aus Peißenberg zum Partner genommen, erläutert Projektleiter Sven Bernhard: „Wir haben zunächst intern alle Daten ermittelt, aber außerdem alle Vorprodukte einbezogen, die zur Brauerei kommen inklusive Transport, und ebenso den Transport der Biere zum Kunden.“ „Wir haben zudem die Instandhaltung in unserer Klimabilanz oder unsere Investitionen“, ergänzt Jens Geimer, „das ist ebenfalls ein sehr großer Brocken.“

Die Dinge, mit denen man sich vordergründig jedoch viel mehr beschäftige, weil sie häufig im Fokus stehen – wie Fahrten der Mitarbeiter zum Arbeitsplatz, der betriebliche Fuhrpark oder auch Büromaterial – hätten keinen wesentlichen Anteil am CO2-Fußabdruck beziehungsweise einen neben den anderen Bereichen verschwindend geringen. „Dennoch werden wir unseren Fuhrpark in wenigen Wochen auf E-Mobilität umgestellt haben“, betont der Brauerei-Chef. Ab Dezember sollen alle Dienstwagen der Vertriebsmitarbeiter und Führungskräfte mit Ökostrom von MANN rollen. Die Gabelstapler auf dem Brauereigelände tun das bereits jetzt.

Maik Grün im neuen Sudhaus der Brauerei, die Klimaneutralität so wichtig findet wie den Geschmack des Bieres. Foto: Schmalenbach

Maik Grün ist Wäller und schon lange bei der „Westerwald-Brauerei“ tätig. „Ich wohne hier ‚um die Ecke‘, liebe den Westerwald und sehe, wie der Klimawandel dem Wald in den letzten Jahren wehgetan hat. Und der CO2-Ausstoß ist eben ein Gradmesser, wie klimaschädlich man ist.“ Deswegen sei es für ihn klar gewesen, so der Leiter der Brautechnik weiter, dass er den Umbau der „Hachenburger“ zur Klimaneutralität voll unterstützen wolle. „Und ich bin der Meinung, dass man auch im Einklang mit einer CO2-Reduzierung weiterhin ein sehr, sehr gutes Bier in der richtigen Qualität und Quantität brauen kann. Man muss einfach den Umbau auch im Kopf mitgehen und andere Wege testen.“

Ohnehin sei Energie im Produktionsprozess schon immer ein Thema in der Braubranche gewesen. „Der Antriebsfaktor war vielleicht früher ein etwas anderer, nämlich monetär, aber wir haben uns schon länger in eine energiesparende Richtung bewegt. Wir haben 2017 viel Geld investiert in die komplett neue Kälte- und Dampfkesselanlage.“ Das erst Ende 2020 in Betrieb genommene neue Sudhaus (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) habe gleichermaßen dazu beigetragen, dass die „Westerwald-Brauerei“ ihren CO2-Fußabdruck in den vergangenen Jahren bereits um 50 Prozent gegenüber dem Höchststand senken konnte.

Dennoch: 4.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr sind trotz aller Anstrengungen und der nun erfolgten Maßnahmen wie der Umstellung auf Ökostrom von MANN derzeit noch unvermeidbar für die Bierbrauer. Sie entstehen beispielsweise zu 14 Prozent durch Brennstoffe, 20 Prozent entfallen auf Rohwaren, 41 Prozent auf Anlagegüter, fünf Prozent machen die zugekauften Verpackungen aus.

Künftig will Jens Geimer erreichen, dass sein Unternehmen eine „Positiv-Klimabilanz“ hinbekommt, also beispielsweise über eigene Photovoltaikanlagen mehr Ökostrom selbst erzeugt, als in der Brauerei verbraucht wird, um darüber den Ausgleich für jene CO2-Emission zu schaffen, die, so der Brauereichef, seiner Meinung nach weiterhin etwa beim notwendigen Zukauf von nicht klimaneutralen Produkten anfallen wird.

Neben den „großen“ strategischen Fragen sei Klimaschutz ebenso bei kleinen Dingen zu berücksichtigen. So müsse man die Mitarbeiter in der Produktion durchaus etwas fordern, führt Braumeister Maik Grün augenzwinkernd aus, „nicht so viel Wasser weglaufen zu lassen, das Licht auszumachen, den Motor fünf Minuten früher auszuschalten – das sind ganz kleine Dinge, bei denen man anfangen muss. Früher war es halt so: Der Brauer hat den Wasserschlauch einfach immer laufenlassen – normal, der war halt immer auf. Heute achten wir darauf, beim Sterilisieren zum Beispiel nicht unendlich viel zu sterilisieren – es reicht ja, wenn etwas steril ist! ‚Steril steril‘ gibt es nicht. Da ist noch viel Überzeugungsleistung zu bringen. Früher war ein Spruch des Brauers: ‚Viel hilft viel.‘“, schmunzelt Grün.

In den größten Tank der „Westerwald-Brauerei“ passen 1.100 Hektoliter Bier. Insgesamt, schildert Braumeister Maik Grün, sei die Lagerung von bis zu 19.750 Hektolitern möglich, davon werde in der Spitze jedoch nur ein Volumen von 15.000 Hektolitern ausgenutzt, da zum Beispiel immer ein Tank leer sei für Wartungs- und Reinigungsarbeiten. Doch egal, ob es in den bunt angestrahlten, hohen Behältern gerade ein paar tausend Liter „Hachenburger Pils“, „Westerwald-Bräu“ oder „Zwickel“ mehr oder wenig sind: Gemein ist allen Erzeugnissen der Brauer, dass sie sechs Wochen lang gelagert werden und reifen dürfen (anders als in vielen größeren Brauereien, in denen das Bier nach dem eigentlichen Brauprozess binnen weniger Tage in Fass und Flasche ist und auf den Markt kommt). Während der gesamten sechs Wochen muss das Bier gekühlt werden – und nicht zu wenig: Bei der Herstellung wird das Bier zunächst gekocht und dann auf null Grad heruntergekühlt. „Klar, dass wir dazu vergleichsweise viel Energie aufwenden müssen“, unterstreicht der Braumeister.

Hier ist viel Kälte nötig: Sechs Wochen lang reift das Bier in Hachenburg in diesen Tanks.

Verbesserungen durch neue Technik lohnten sich hier dreifach: „Die Kälteanlage ist ein gutes Beispiel, das ist eine der effizientesten Sachen, die wir gebaut haben“, erklärt Grün. „Man spart Energie, man spart Geld und man hat weniger CO2!“ Derzeit sei die Brauerei bereits in weiteren Planungen. Es soll etwa eine Maschine gekauft werden, um das bekanntermaßen beim Brauen eingesetzte und bei der Gärung entstehende CO2 aufzufangen, zu reinigen und wiederzuverwerten. „Allerdings werden wir für die Maschine wieder zusätzliche Energie benötigen, dafür jedoch weniger CO2 emittieren.“

Die neue Kälteanlage kommt mit erheblich weniger Energie aus, als die Vorgängerin.

Es gibt inzwischen durchaus eine Reihe Unternehmen im Westerwald wie außerhalb, die sich „Klimaneutralität“ auf die Fahnen schreiben. Indes findet man darunter nicht wenige, die ihre Klimabilanz nur im sogenannten „Scope 1“ und „Scope 2“ umsetzen. Ersterer erfasst die direkten Emissionen, der zweite jene aus bezogenen Energien. Erst im dritten „Scope“ der Zertifizierung fließen jedoch auch weitere indirekte Emissionen ein – so wie im Fall der „Westerwald-Brauerei“, die sogar ihr gesamtes Anlagevermögen hinsichtlich der CO2-Bilanz mit abbildet. „Die Genossenschaft, mit der wir dabei zusammenarbeiten, hat bis jetzt 350 Klimabilanzen erstellt – davon sind nur fünf so weitreichend wie unsere“, verdeutlicht Jens Geimer.

Nun könnte man bei aller Begeisterung für den Klimaschutz der Hachenburger Biermacher fragen, warum sie bei der momentan praktizierten Kompensation Projekte außerhalb des Westerwaldes fördern. Simone Kerschbaum vom Marketing der „Hachenburger“ kennt die Antwort: Es gebe im Westerwald bislang schlichtweg keine entsprechenden, geeigneten Vorhaben. Jedoch habe das Unternehmen versprochen, dass die selbe Summe, die via Kompensation in Klimaschutzprojekte außerhalb des Westerwaldes geht, künftig direkt in Umweltschutzprojekte in der Heimat fließen soll. Ein erstes Projekt soll demnächst im keine zehn Kilometer von Hachenburg entfernten Heimborn realisiert werden.

Uwe Schmalenbach

Schulze: „Das macht Mut“

Zum Abschied ein Erinnerungsfoto: Dr. Tanja Machalet und Ministerin Svenja Schulze mit Markus und Tanja Mann (von links)

Fast zwei Stunden bleibt Bundesumweltministerin Svenja Schulze in Langenbach, um mit dem Gastgeber ausführlich alle Themen zu diskutieren und sich ebenso den gesamten Betrieb anzusehen. Über die bei dem Besuch gewonnenen Eindrücke sprach mit der SPD-Politikerin Uwe Schmalenbach.

Frau Ministerin, Sie sind heute hierher zu „MANN Naturenergie“ gekommen. Was ist der Grund für den Besuch?

Erst einmal bin ich eingeladen worden von Tanja Machalet (Anm. d. Red.: der SPD-Kandidatin für den Wahlkreis 204 Montabaur), die mir das unbedingt zeigen wollte. Sie hat mir sehr viel erzählt, was hier alles läuft – aber es ist noch einmal etwas anderes, wenn man es sich vor Ort ansehen darf.

Sie sind ja momentan sehr häufig zu solchen Begegnungen unterwegs. Ist es generell Ihr Eindruck, dass man in Deutschland schon viel mehr gelebte Energiewende sehen kann, als man vermuten würde – vielleicht auch in „Ecken“, die nicht Berlin oder München sind?

Ich mache die Erfahrung, dass gerade im eher ländlichen Raum sehr kreative Unternehmer tätig sind, die wirklich das Thema „Wie werde ich CO2-frei? Wie werde ich ressourceneffizient?“ angehen. Und dann nicht nur ein kleines Stück, sondern auch wirklich integrierte Konzepte umsetzen. Mir hat hier ganz besonders gut gefallen, dass man sagt, man will „enkeltauglich“ sein! Das ist genau die Perspektive – nicht in Fünfjahres- oder Quartalsberichten denken, sondern in der Frage „Wie kriegen wir unsere Welt CO2-frei? Und was kann jeder und jede dafür tun?“

Ist ein Besuch wie der heutige ermutigend? Sie möchten sich ja in der nächsten Bundesregierung sehr wesentlich dafür einsetzen, dass die Energiewende nun endlich gelingt und, ich habe das vorhin Ihren einleitenden Worten entnommen, ebenfalls ein bisschen mehr Tempo aufnimmt. Ist ein Termin wie der heutige geeignet, dass Sie sagen: „Da habe ich neuen Mut, dass wir das auch schaffen können“?

Fahrer Maik bekommt das gewünschte Selfie mit der Umweltministerin.

Fahrer Maik bekommt das gewünschte Selfie mit der Umweltministerin.

Naja, wir müssen in den nächsten 25 Jahren doppelt so schnell werden – mindestens –, wie in den letzten 25 Jahren. Und wenn man dann sieht, was hier alles in relativ kurzer Zeit mit wenigen Generationen entstanden ist: Ja klar, das macht Mut, dass das auch im großen Maßstab geht.

Wie wichtig ist das, was man als Ressortleiterin von solchen Vor-Ort-Terminen anschließend ins Kabinett zurücktragen kann?

Das ist immer wichtig. Ich kann ja viel Theoretisches, viele Studien zitieren; das haben wir alles im Haus. Aber ein konkretes Beispiel und dann sagen: „Schaut euch das da an, das geht; das geht gerade auch im ländlichen Raum, das geht nicht nur in der Stadt“ – es ist schon wichtig, solche tollen Beispiele zu haben! Da bin ich Tanja Machalet sehr dankbar.

Wünsche an die nächste Bundesregierung

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (Mitte) ist gemeinsam mit der Bundestagskandidatin Dr. Tanja Machalet bei „MANN Naturenergie“ gewesen. Bei dem Besuch gab es zur Betriebsbesichtigung eine angeregte Diskussion über die Energiewende.

Der Besuch von Svenja Schulze (SPD) bei „MANN Naturenergie“ in Langenbach bei Kirburg ist natürlich auch Wahlkampf. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist gemeinsam mit Dr. Tanja Machalet zum Westerwälder Grünstrom- und Pelletpionier gekommen, denn die in Dernbach geborene Machalet bewirbt sich am 26. September im Wahlkreis 204 Montabaur um einen Sitz im nächsten Deutschen Bundestag. Jedoch: Nach relativ kurzer Zeit ist Schulze mit dem Gastgeber Markus Mann in einem regen fachlichen Austausch über die Energiewende, der ein erfreulich sachliches Niveau hat.

Die Gelegenheit, der zuständigen Ressortleiterin und damit höchsten Repräsentantin des Staates in Umweltfragen einmal zu schildern, wo einen Energie-Unternehmer der ersten Stunde „der Schuh drückt“, lässt Markus Mann nicht ungenutzt: Beispielsweise betont der Windkraftneuerer – er errichtete immerhin bereits vor 30 Jahren ein Windrad vom Typ „AN-Bonus 150/30“ und damit die erste kommerzielle Windkraftanlage in ganz Rheinland-Pfalz, die bis heute problemlos mit voller Nennlast Ökostrom produziert –, dass seiner Meinung nach neue Konzepte wie das integrierte Lastmanagement in Stromnetzen, „bidirektionales Laden“ in der E-Mobilität oder eine vereinfachte Weitergabe von selbsterzeugtem Strom an Nachbarn oder Mitbewohner dringend nötig seien, um die Energiewende zu schaffen. Die Ministerin stimmt mit Mann überein, dass das Tempo des Umbaus im Energiesektor drastisch zu erhöhen ist: „Wir müssen in den nächsten 25 Jahren mindestens doppelt so schnell werden, wie in den letzten 25 Jahren, um CO2-frei zu werden“, sagt Svenja Schulze zum Ausbau der „Erneuerbaren“.

Die Bundesumweltministerin (links) diskutiert mit dem Ökostrompionier Themen, die ihm für seine weitere Arbeit wichtig erscheinen.

Markus Mann bemängelt, dass viel zu viel Bürokratie das Vorankommen in dieser Frage stark ausbremse. Er wünsche sich daher „von der nächsten Regierung“ Vereinfachungen der gesetzlichen Bestimmungen – beispielsweise rund um die CO2-Bepreisung oder Ein- und Ausspeisebedingungen sowie eine Reform des Energiewirtschaftsgesetzes insgesamt.

Die Bundesumweltministerin schildert, dass Genehmigungen für Grünstromprojekte sechs Monate Zeit gebraucht hätten, als Rot-Grün 2000 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder das Erneuerbare Energiengesetz eingeführt habe. Heute jedoch, fügt Schulze kritisch an, dauere ein Genehmigungsverfahren sechs Jahre. „Wir haben sogar sieben Jahre gebraucht, um die Genehmigung für das Windrad unserer Wäller Energiegenossenschaft zu erhalten!“, kritisiert Markus Mann. Dabei seien mit dem Projekt vier Altanlagen abgebaut, dafür nur eine neue „Repowering“-Anlage errichtet worden. Die liefere zudem nun statt 800.0000 Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr satte acht Millionen und damit zehnmal soviel wie die vier alten Windräder zusammen („Sehr gut“, kommentiert Schulze).

„MANN Naturenergie“ versorgt rund 60.000 Menschen mit Wärmeenergie und deckt für 120.000 die Versorgung mit echtem Grünstrom ab. Den speichert das Unternehmen auch in einem Großspeicher aus „Secondlife-Batterien“, den Markus Mann der Ministerin und der Bundestagskandidatin (von rechts) hier erklärt.

Das „Peak Shaving“ im Areal-Netz von MANN, die Beschaffung von Holz über eine alte, zu reaktivierende Bahnstrecke, der Protest einer Ortsgemeinde dagegen: Es ist eine lange Liste von Themen und Stichwörtern, die beim ministeriellen Besuch in Langenbach erfreulich offen diskutiert werden. Die SPD-Politikerin sieht auch den Bedarf, gemeinsam zu neuen Ansätzen zu kommen, denn sie verweist unter anderem darauf, dass der Strombedarf noch zunehmen werde und allein die chemische Industrie 2030 das verbrauchen werde, was Deutschland derzeit insgesamt an Strom benötigt!

Im vergangenen Jahr seien alle Anlagen zu 99,75 Prozent der Zeit voll durchgelaufen, mussten also nahezu nie gebremst werden fürs „Peak Shaving“. Dennoch sei die Jahreshöchstleistung an Strom im Unternehmen durch die Maßnahme um 15 Prozent verringert worden.

Mann berichtet von aktuellen Bemühungen um die ersten beiden 40-Tonnen-Elektro-LKW, mit denen die „Westerwälder Holzpellets“ auch umweltfreundlich ausgeliefert werden sollen.

„Wir müssen raus aus diesen ‚Silos‘“, ist die Antwort von Svenja Schulze, wie sie die Dinge nach der Bundestagswahl zu beschleunigen gedenkt. Gemeint sei, dass das „Verkehrsministerium sein Ding macht, das Wirtschaftsministerium und viele andere“, die mit dem Klimawandel und seiner Bekämpfung irgendwie zu tun haben. Die Umweltministerin unterstreicht die SPD-Forderung, dass das Thema daher im Kanzleramt koordiniert wird. Die Verwaltung werde sich insgesamt stark verändern müssen – das gelte auf der Bundesebene ebenso wie kommunal. Alle Aufgaben seien außerdem nicht nur deutschland-, sondern europaweit zu koordinieren, solle die Energiewende gelingen.

In Langenbach, davon überzeugt sich Ministerin Svenja Schulze bei einem sehr ausgedehnten Betriebsrundgang zum SEO-Sägewerk, den Pelletpressen und dem Großspeicher aus „Second-life-Batterien“, wird an der Energiewende jedenfalls schon Tag für Tag überaus konkret gearbeitet.

Uwe Schmalenbach