Das ist natürlich richtig gut

Aus 30, 40 Metern Entfernung betrachtet, scheint da ein ganz „normaler“ grauer Container zu stehen. Einer, wie ihn Unternehmen, zum Beispiel auf Baustellen, nutzen, um darin Geräte und Werkzeuge zu verstauen, oder als zusätzlichen Abstellraum neben einer Produktionshalle. Doch der Container, der seit kurzem auf dem Gelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) steht, ist wirklich eine Neuheit, die gravierende Auswirkungen haben wird – weit über besonders schnelle Ladesäulen für die Elektro-Lkw des Pelletproduzenten hinaus, die darin unscheinbar untergebracht sind.

Vier Schnelllader mit einer Leistung von jeweils maximal 300 Kilowatt (kW): Selbst der 677-PS-„Volvo“ von Maik Christ, der mit einem Gesamtgewicht von 42 Tonnen unterwegs sein darf und mit einer Akkukapazität von 540 Kilowattstunden (kWh) ausgestattet ist (siehe Seite 2), kann an einer solchen Ladestation rechnerisch in weniger als zwei Stunden komplett mit selbstproduziertem Ökostrom auf dem Gelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) wieder „vollgetankt“ werden.

Unscheinbar, aber mit enormer Auswirkung: der neue Ladecontainer.

„Am wichtigsten ist aber eigentlich, dass der neue Ladecontainer zukünftig ‚bidirektional‘ mit den Lkw-Batterien ‚schwätzt‘“, stellt Florian Höfer heraus. Höfer ist Fachmann für Anlagenprogrammierungen bei den WWP und wacht zum Beispiel mittels selbstprogrammierter „Peak-Shaving“-Software darüber, dass die „Lastspitzen“, also das Maximum der gleichzeitig benötigten elektrischen Energie dort, gewisse Höchstgrenzen niemals überschreiten. Dazu werden vom System unter anderem bei Bedarf elektrische Lasten zeitlich verschoben. Ebenso wird aktuell nicht benötigter Strom aus eigener Photovoltaik und dem Windpark Langenbach bis zu seinem Einsatz in einem Großspeicher „geparkt“.

In genau dieses bestehende System wird über die kommenden Monate der neue Ladecontainer integriert: „Wenn der Fahrer am Freitagnachmittag Feierabend macht und sein Auto an den Lader ansteckt, ehe er ins Wochenende geht“, erläutert Florian Höfer, „kann er demnächst am Container eingeben, dass er, nur mal als Beispiel, das Fahrzeug am Montagmorgen um fünf Uhr wieder braucht, um Pellets zu laden und anschließend zum Kunden zu fahren – und zwar mit vollen Akkus.“ Die Software, die Höfer einsetzt, lese über den Schnelllader den Akkufüllstand sowie die Fahrzeugidentifikationsnummer des E-Lkw aus und wisse so, wie viel Strom „getankt“ werden muss, damit er zur gewünschten Zeit abfahrbereit ist – und wie lange der Vorgang dauert. Höfer: „Wenn das, in diesem Beispiel, zwei Stunden Ladedauer bedeutet, dann kann die Akkukapazität des Lkw bald das ganze Wochenende bis zum Montagmorgen um ein oder zwei Uhr in der Nacht von uns als Ergänzung unseres Großspeichers genutzt werden, bis der Lkw geladen werden muss.“ Dieser Großspeicher, in dem 112 „second-life“-Fahrzeugbatterien zu einem insgesamt 1,4 Megawattstunden fassenden Puffer zusammengeschlossen sind (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete), erhält durch die Lkw-Akkus also zeitweilig eine erheblich größere Gesamtkapazität.

„Wenn man sich das einmal hochrechnet, erreichen wir durch dieses Verfahren praktisch eine Verdoppelung unserer jetzigen Batteriespeicherkapazität“, verdeutlicht Florian Höfer. Jeder Lkw bringe, je nach Typ, schließlich zwischen 400 und 500 Kilowattstunden Kapazität mit. Am neuen Ladecontainer können in der Endausbaustufe vier solcher elektrischen 42-Tonner gleichzeitig angeschlossen werden. „So kommt man locker auf weitere 1,5 Megawattstunden Batteriespeicherkapazität“, betont Höfer, „du hast sie damit mal eben gerade verdoppelt! Das ist natürlich richtig gut.“

Der Vorteil der von den WWP gekauften Schnelllader im Container ist also nicht nur deren Fähigkeit, Elektro-Laster extrem rasch zu „betanken“: In jene Zeitspanne, in der durch die „angesteckten“ Fahrzeuge noch mehr „Speicherstrom“ im gesamten WWP-System und -Arealnetz vorhanden sein wird, können künftig entsprechend mehr energieintensive elektrische Lasten zum Beispiel der Pressen im Pelletwerk verschoben werden.

Um das Prinzip optimal auszunutzen, sollen Vorhersagen zum Anfall von Wind- und Solarstrom aus eigener Produktion einbezogen werden, verrät Florian Höfer. Steht viel Energie aus PV- und Windkraftanlagen zur Verfügung, erfolgen Produktionsprozesse entsprechend am wirtschaftlichsten.

„Daneben wollen wir, quasi als Kür, ebenso unsere Produktion ergänzend prognostizieren. Das heißt, wir wollen in nächster Zeit gleichermaßen die Produktionspläne im System hinterlegen, wann wir etwa Stillstände haben, weil einmal etwas gewartet werden muss, oder welche Profile wir, in Abhängigkeit vom gerade bearbeiteten Holz, im Sägewerk haben. Ein kleinerer Stamm lässt sich logischerweise mit weniger Strom sägen als ein sehr dicker.“ Der dicke wäre deswegen sinnvollerweise in solchen Phasen zu bearbeiten, in dem der Großspeicher besonders gut gefüllt ist und/oder die eigene Stromerzeugung aus Sonne und Wind ein hohes Niveau hat. „Nur ein paar Monate Programmier- und Pionierarbeit“ entfernt seien die WWP noch vom fertigen System, schmunzelt Höfer.

Ergänzend wird bei dem Verfahren der WWP außerdem der sogenannte „Day-Ahead-Preis“ berücksichtigt werden: Auf dem „Day-Ahead-Markt“ werden die Stromlieferungen für jede Stunde des folgenden Tages gehandelt. Und wenn die WWP mit dem selbstproduzierten Strom einmal nicht auskommen, dann wollen sie natürlich zu einem Zeitpunkt Strom zukaufen, zu dem dieser möglichst günstig zu haben ist. Das System, das Florian Höfer beschreibt, erlaubt es, auch zu diesem Zweck die zeitliche Verschiebung der elektrischen Lasten zu nutzen. Doch dafür muss man billigere Energie zuweilen „parken“ können – eben im Großspeicher, der durch angeschlossene Lkw-Akkus nächstens noch größer wird.

Aber eigentlich hat der Ladecontainer ja vor allem die Funktion, Fahrern wie Mike Christ und seinen Kollegen eine hohe Ladeleistung für ihre Fahrzeuge zu liefern. Deswegen werden die WWP-Mitarbeiter beim Anstecken ihres Lkw bei Bedarf eingeben können, dass sie nur einen kurzen Halt auf dem WWP-Gelände einlegen, etwa für eine Pause – und schnell wieder mit einem aufgetankten Lkw-Akku zum nächsten Westerwälder-Holzpellets-Kunden aufbrechen wollen. „Der Fahrer wählt am Panel lediglich ‚priorisiertes Laden‘ an, dann haut der Lader alles raus, was an Leistung da ist, also maximal 300 kW“, schildert Hoefer.

So ist der Ladecontainer nicht nur außergewöhnlich kräftig beim Befüllen von Fahrzeug-Akkus, sondern erweitert in Zukunft die Funktionalität im gesamten Strom-Areal-Netz der WWP. Mehr noch: „Außerdem sind wir immer bestrebt, bei allem, was wir tun, maximale Effizienz herauszuholen. Wir wollen versuchen, auch das ein Pilotprojekt, die Photovoltaik, die auf das Dach der in Bau befindlichen Halle für unsere neue Hobel- und Keilzinkanlage kommen wird, direkt auf Gleichstromebene mit der Batterie und den Schnellladern zu verbinden“, erklärt der Fachmann. Klappe dies wie gewünscht, könne man womöglich einen Wirkungsgrad von bis zu 98 Prozent beim Laden von Elektrofahrzeugen mit dem eigenen Solarstrom herausholen, „also praktisch ohne nennenswerte Ladeverluste“, freut sich Florian Höfer.

Er ist überzeugt, dass das Modell im gesamten deutschen oder gar europäischen Stromnetz funktionieren kann und genutzt werden sollte: Wenn jeder Elektroautofahrer wie die WWP-Pellet-Lkw-Fahrer dem System sagt, zu welcher Zeit er mit dem Wagen beispielsweise wieder zur Arbeit starten möchte, kann mittels bidirektionalem Laden und einem Softwaresystem, wie es die WWP einsetzen wollen, jeder E-Pkw für viele, viele Stunden, die er ohnehin nur ungenutzt herumsteht, als stationärer Batteriespeicher dienen und so sogar das öffentliche Stromnetz stabilisieren helfen.